Buchkritik -- Steven Uhly -- Adams Fuge

Umschlagfoto  -- Steven Uhly  --  Adams Fuge Steven Uhly legt mit seinem zweiten Roman Adams Fuge ein Buch vor, das sich mit dem Problemkreis von Identität und Integration beschäftigt. Adem Öztürk, Sohn eines türkischen Vaters und einer deutschen Mutter, lebt mit seinen Geschwistern in Mannheim. Nachdem sich die Mutter aufgrund des gewalttätigen Verhaltens ihres Mannes von der Familie getrennt hat, zieht Adem mit seinem Vater und den Geschwistern in die Türkei. Als er dort Jahre später seinen Militärdienst absolviert, tötet er einen Anführer der kurdischen Separatisten. Er erhält vom türkischen Militär einen Orden und einen Auftrag, der ihn nach Deutschland zurückführt.

Mit dieser Mission - er soll die Urheber eines antitürkischen Computerspiels identifizieren - beginnt für ihn und den Leser eine Odyssee, die von Uhly oft irritierend, manchmal verstörend, aber auch ironisch, skurril und zynisch in Szene gesetzt wurde.

Adem Öztürk wird, wie sollte es bei geheimen Operationen auch anders sein, mit einer neuen Identität ausgestattet. Fortan heißt er, nach dem Namen der Mutter, Adam Imp. Hier beginnt Steven Uhly ein grandios angelegten Verwirrspiel um persönliche, nationale und religiöse Identität. Nicht ohne Absicht trägt der stellenweise tragische Held den Namen Adam. Dieser Mensch, so die hebräische Übersetzung von Adam, ist sowohl in der biblischen, der jüdischen und islamischen Überlieferung die erste, von Gott geschaffene und mit Lebensatem angehauchte Person.

So gerät Adam Imp dann auch folgerichtig in einen Strudel aus divergierenden Interessen. Er wird sowohl von Kurden und Türken, als auch vom Bundesnachrichtendienst (BND) und vom Mossad, dem israelischen Auslandsgeheimdienst, verfolgt. Adam nimmt im Lauf des Romans wechselweise die Identitäten aller derjenigen an, die von ihm getötet werden, oder durch seine Schuld ums Leben kommen. Dieses Verwirrspiel zwischen den jeweils mit religiösen und moralischen Vorurteilen belasteten Identitäten seiner Gegner zieht sich als furioser Leitfaden durch den ganzen Roman.

Adams Fuge ist nicht nur ein Roman über die Probleme von Integration und deren Voraussetzungen und ihr mögliches Scheitern, sondern vielmehr eine literarische Transzendenz über das Wesen dessen, was wir als Mensch oder menschlich bezeichnen. Gerade weil Adam Imp einem permanenten Wechsel der Identitäten unterliegt, den er nur verwundert und hilflos zur Kenntnis nehmen muss, ihn aber nicht verhindern kann, ist er dazu in der Lage, das Gemeinsame, das zwanghaft Verbindende dieser individuellen Manifestationen zu erkennen.

Gewalt, Brutalität und die Lust am Schmerz ziehen sich wie ein Ostinato, eine sich ständig wiederholende Melodie, als bestimmendes Grundmotiv durch die Identitäten Adams. Es spielt keine Rolle, in welchem Selbst er jeweils steckt, denn die Fuge, deren Prinzip eigentlich die ethischen Gemeinsamkeiten der drei großen monotheistischen Religionen darstellen sollte, hat sich längst zu einer Kakophonie aus Schmerz, Einsamkeit und individueller Heimatlosigkeit entwickelt.

Niemand, vielleicht mit Ausnahme von Adam, ist dazu in der Lage, seine Position in dem von fremden Interessen geprägten Schachspiel zu verändern. Die Handlungsmöglichkeiten scheinen festgelegt und lassen anscheinend keinen Spielraum für individuelle Entscheidungen.

Manchmal ist der Leser etwas verwirrt durch den heftigen und häufigen Wechsel der Identitäten von Adam Imp. Doch gerade dieses Spiel mit den scheinbar festen und unverrückbaren individuellen Befindlichkeiten, die ihrerseits ja nur die Manifestationen des jeweiligen Lebensumfeldes darstellen, die nicht zuletzt geprägt sind durch religiöse Vorstellungen, ist ein großartiger literarischer Trick von Steven Uhly. Mit ihm zeigt er die Schwierigkeiten, in denen jeder von uns steckt, wenn von ihm verlangt wird, sich mit dem Anderen, dem uns erst einmal Fremden, auseinandersetzen zu müssen. Das Verharren in alten Festungen, bestehend aus Angst und Vorurteilen, hilft auf keinen Fall.

Ob Adam eine Chance hat? Zumindest durchschaut er zum Schluss das Spiel und kann seine eigenen Regeln setzen. Sein Wissen darum, dass er Vater wird, eröffnet ihm vielleicht die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass sein Kind einen anderen Weg einschlagen wird. Die Vergangenheit ist festgeschrieben. Die Zukunft nicht.




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