Buchkritik -- Christa Schmidt -- Ich bin´s

Umschlagfoto, Christa Schmidt, Ich bin´s, InKulturA Ein Mann trifft zufällig eine Frau. Daraus entsteht eine Beziehung und eines Tages, kurz vor dem Einzug in die gemeinsame Wohnung, verschwindet die Frau spurlos. Annusch, eine Malerin, und der Fotograf Victor lernen sich in Berlin kennen, erleben zusammen eine stürmische Zeit und, gerade als Victor dachte, endlich sich selbst in einer Beziehung gefunden zu haben, ist sie plötzlich nicht mehr da, seine geliebte Annusch.

Was macht der Mann? Er begibt sich auf die Suche nach ihr. Freunde, Bekannte, Orte des gemeinsamen Erlebens, überall spürt Victor seiner Freundin nach. Doch keine Lebenszeichen, keine Spuren, kein Versteckspiel. Annusch bleibt verschwunden.

Christa Schmidt spielt in ihrem Roman "Ich bin´s" virtuos mit der Angst vor dem Verlust der Liebe. Je länger Annusch verschwunden bleibt, desto mehr steigert Victor sich in Phantasien, die, geschürt vom Halbwissen und den Gerüchten seiner Bekannten über den Verbleib der Freundin, immer bizarrer und monströser werden. Er scheut sogar nicht davor zurück, ins Atelier von Annusch einzubrechen - und erlebt dort den nächsten Schock.

Auf einem Bild wird ein Enthaupteter dargestellt und ausgerechnet Annusch führt das Schwert. Victor beginnt an seinem Verstand zu zweifeln. Kennt er seine Freundin oder ist sie in Wirklichkeit eine Fremde, in die er nur seine Sehnsüchte hineinprojiziert?

Je länger die Suche nach Annusch dauert, desto mehr wird Victor klar, dass er auch auf der Suche nach sich selber ist. Sukzessiv bricht seine Fassade zusammen, er versetzt seine Auftraggeber und findet sich plötzlich allein mit seinen Ängsten wieder.

Der Leser wird Zeuge der atemlosen Suche Victors, die ihn, als Manowski, ein alter Bekannter von Annusch, in den Gerüchten seiner Bekannten thematisiert wird, sogar bis nach Polen führt. Nichts und niemand kann ihm helfen. Seine Freundin bleibt verschwunden. Christa Schmidt baut geschickt ein Vexierbild auf und zusammen mit Victor fragt sich der Leser, ob es denn Annusch überhaupt gibt. Ist sie real oder ist sie nur die überhitzte Phantasie eines Mannes, der langsam versteht, aus welchen Gründen seine Beziehungen immer scheitern mussten.

"Ich bin´s" spielt auch mit dem Leser, denn immer ausgerechnet dann, wenn der endlich glaubt zu wissen wohin die Reise gehen soll, baut Christa Schmidt eine weitere Falle ein, die den aufmerksamen aber stillen Begleiter Victors, denn das ist die Rolle des Leser in diesem Roman, ebenfalls in die Irre führt. Die Realität wird fluid, die Wahrheit mehrdeutig und die vermeintliche Sicherheit des Gefühls gerät ins Wanken.

"Ich bin´s" von Christa Schmidt ist ein schrecklich schönes Labyrinth der Mehrdeutigkeiten.




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