Buchkritik -- Thomas Walker Jefferson -- Die in der Hölle sind immer die anderen

Umschlagfoto, Thomas Walker Jefferson, Die in der Hölle sind immer die anderen, InKulturA Es gibt Kriminalromane, die, hat man sie gelesen und aus der Hand gelegt, emotional noch lange nachwirken. Ein gut recherchierter Plot, eine zügige und spannende Handlung, raffinierte Pläne oder, wie in dem Roman von Thomas Walker Jefferson, die dramatische Aufarbeitung einer Kinderschändung. "Die in der Hölle sind immer die anderen" so der Titel, ist ein Thriller der ganz besonderen Art. Obwohl der Autor geschickt die üblichen Stilelemente des Genres verarbeitet, dringt der Roman tief, seht tief in die emotionale Befindlichkeit des Lesers ein.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Der neunjährige Florian verschwindet auf dem Weg zur Schule spurlos. Erst Monate später wird seine Leiche gefunden und die Obduktion ergibt, dass der Junge vor seinem Tod sexuell missbraucht wurde. Nach einer langen Fahndung wird der Täter ermittelt und vor Gericht gestellt. Einer Staranwältin gelingt es die Richter davon zu überzeugen, dass ihr Klient im weitesten Sinn schuldunfähig ist und das Urteil fällt äußerst milde aus.

"Die in der Hölle sind immer die anderen" erzählt den Leidensweg der Eltern der, wie fast immer in ähnlich gelagerten Fällen, erst mit der Gerichtsverhandlung an Intensität gewinnt.

Thomas Walker Jefferson bewegt sich gekonnt auf den schmalen Grad zwischen Thriller und glaubwürdiger Darstellung des emotionalen Bruchs, den das Ehepaar Weigandt nach dem Verschwinden ihre Sohnes erleben muss. Ist der Verlust Florians bereits ein Schock, der für eine schwere Traumatisierung der Eltern und bleibende psychische Schäden verantwortlich ist und der das weitere Leben der Weigandts bestimmen wird, so ist der Prozess eine Verhöhnung der Hinterbliebenen, denn, wie so oft, wird der Täter darin von einer geschickten und mit allen Wassern der juristischen Finessen gewaschenen Verteidigerin als das eigentliche Opfer stilisiert.

Es ist ein extrem verstörender Roman, den der Leser da vor sich hat. Der Autor erzählt die Geschichte aus zwei Perspektiven. Sowohl die Mutter als auch auch der Vater erhalten Gelegenheit, ihre Hoffnungslosigkeit, ihre Wut, ihre Verzweiflung und ihre Reaktionen darauf zu schildern. Bewegend und packend beschreibt Thomas Walker Jefferson die Veränderungen, die nach dem gewaltsamen Tod Florians das Leben der beiden bestimmen werden.

"Die in der Hölle sind immer die anderen" ist ein Roman, der Partei ergreift und der sich mit Abscheu gegenüber der Sensationslust der Medien und der pervertierten juristischen Aufarbeitung des Mordes auslässt und der, emotional hoch aufgeladen, eindeutig seine Sympathie für das Opfer und die Hinterbliebenen zeigt.

Es ist eine perverse Situation, in der sich Florians Eltern auf einmal wiederfinden. Sie müssen mitansehen, wie die Politik versucht, auf den Ausgang der Ermittlungen Einfluss zu nehmen. Lustlose Richter und ein unfähiger und unwilliger Anwalt der Eltern als Nebenkläger machen den Prozess in den Augen der Eltern zu einer juristischen Farce.

Der Täter als Opfer, das ist die Pervertierung bürgerlichen Rechtsempfindens. Psychologische Gutachten, die die Gefährlichkeit von Triebtätern bestreiten und an die Möglichkeit der Therapie glauben. Ein aufgegeiltes Feuilleton, das den Täter, der seine Verbrechen als literarische Vorlage verarbeitet, nach Abschluss seiner therapeutischen Behandlung als jungen Star des Zeitgeistes feiert. All das erweckt beim Leser den Eindruck, dass die Fiktion sich näher an der Realität befindet, als manchem Zeitgenossen lieb ist.

Der Leser wird sehr direkt mit der Frage konfrontiert, wie er darauf reagieren würde, wenn sein Kind einem Verbrechen zum Opfer fallen würde. Was würde man selber dabei empfinden, wenn dem Täter von der Justiz und den psychologischen Gutachtern die Rolle des eigentlichen Opfers zugesprochen wird? Michael Weigandt, der Vater Florians, reagiert im Roman auf die Weise, die ihm angemessen und gerecht erscheint. Meine Sympathie hat er damit auf jeden Fall.

Der Leser sei jedoch gewarnt, es gibt Stellen im Roman, mit denen sensible Menschen Probleme haben werden.

Leider hat sich, und das ist ein kleines Manko dieses ansonsten stimmigen Romans, ein logischer Fehler eingeschlichen. Dem aufmerksamen Leser wird es nicht entgangen sein, dass die offiziell bekanntgegebene Todesursache der Strafverteidigerin - Herzinfarkt - nicht mit dem wirklichen Tathergang übereinstimmt.




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Veröffentlicht am 14. Dezember 2013