Buchkritik -- Mark Watson -- Elf Leben

Umschlagfoto  -- Mark Watson  --  Elf Leben Was sind die unser Leben beeinflussenden Faktoren? Bestimmen wir selber über uns oder haben die Entscheidungen und Handlungen anderer, uns unbekannter Menschen größeren Einfluss auf unsere Existenz als wir es wahr haben wollen?

Mark Watson hat in seinem Roman Elf Leben ein Knäuel von Wechselwirkungen zwischen Menschen die sich zwar nicht persönlich kennengelernt haben, deren Leben jedoch aufgrund von Handlungen, die sie nicht zu verantworten haben, zum Teil einschneidend verändert hat, entwirrt.

Es muss nicht unbedingt der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings am anderen Ende der Welt sein, der bestimmte Dinge ins Rollen bringt, es kann auch, wie in diesem Roman, eine unterlassene Hilfeleistung zu einer, für viele Beteiligte, dramatischen Entwicklung führen.

Watson erzählt von den Augenblicken im Leben von Menschen, die für ihr weiteres Schicksal von Bedeutung sind. Für jeden Einzelnen mag es scheinen, als wenn bestimmte Ereignisse zufällig in sein Leben treten. Doch hinter jeder Begegnung steckt ihrerseits wieder eine andere Ursache, die erst mit Hilfe des vom Autor benutzen Blickwinkels aus einer gleichsam herausgehobenen Position sichtbar wird.

Dieser Roman berührt und erschreckt zugleich, weil er uns deutlich macht, in welcher Dependenz wir zu anderen stehen. Dieser, im wahrsten Sinn philosophische Roman räumt gründlich auf mit der Autonomievorstellung des Einzelnen. Diese vermeintliche Autonomie erweist sich als Chimäre, da sich jede individuelle Handlung immer nur als eine Reaktion auf die Vorangegangene eines uns unbekannten Akteurs erweist. Die Beziehungsprobleme eines Piloten können unter Umständen das Leben von hundert Menschen negativ beeinflussen.

Elf Leben ist ein Roman, der auch Angst macht. Angst vor der Abhängigkeit vom Anderen, auf den wir keinen Einfluss besitzen und dessen Handlungen wir nicht steuern können. Das sich so autonom vorkommende Individuum wird auf einmal abhängig von den Launen und Befindlichkeiten eines Fremden, den wir nur all zu gerne aus unseren Vorstellungen und unserer Psyche verdrängen würden.

Der Autor erzählt atmosphärisch dicht die Geschichten hinter den Geschichten, ohne jedoch darüber befinden zu wollen, welche davon erstrangig ist. Das vermeidet Watson zu Recht, denn jede Einzelne ist für jeden Einzelnen vorrangig, weil sie sein Leben direkt betrifft. Er vermeidet dabei jede falsche Sentimentalität und kommt ohne Klischees aus.

Mark Watson hat einen zutiefst philosophischen Roman geschrieben. Ich bin seit Langem der Meinung, dass wirkliche Philosophie außer im realen Leben vornehmlich in Romanen beschrieben wird. Der Roman von Mark Watson hat meine Theorie erneut bestätigt.

Wer diesen Roman liest und sich danach nicht fragt, welche Ereignisse er bereits in Gang gesetzt hat, der muss ein arger Klotz sein.




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