Buchkritik -- Patrick Wunsch -- Gegenlicht

Umschlagfoto, Buchkritik, Patrick Wunsch, Gegenlicht, InKulturA Zwei junge Frauen, die eine, Romi, eher introvertiert, ihre Umwelt distanzierend betrachtend, die andere, Nova, eigentlich Novalie von Hardenberg, spontan, oft unstet und impulsiv, ein Mädchen „mit Erfahrung“ aus „gutem Haus“, materiell bestens versorgt und, wie in ihren Kreisen üblich, gut vernetzt, lernen sich kennen und schnell entwickelt sich eine Beziehung, Freundschaft wäre zu viel gesagt, und sie beschließen, hauptsächlich auf Novas Initiative, zusammen mit dem etwas älteren Künstler Elias eine gemeinsame Reise zu unternehmen.

Schnell entwickelt sich eine Unternehmung, welche die individuellen Grenzen, die Lebensentwürfe und die scheinbar fest gefügten Rollen, hauptsächlich die der beiden Frauen, infrage stellt, ins Wanken geraten lässt und, in Romis Fall, sogar ins genaue Gegenteil umschlägt.

Patrick Wunsch erzählt über eine Bildungsreise, die, kurz aber intensiv, um die Pole Kunst, Erotik, Sex und das Verhältnis der Geschlechter kreist. Bildung bedeutet im weitesten Sinn auch Selbsterfahrung und so bleibt es nicht aus und geschieht auch mit fast zwingender Notwendigkeit, dass sich Kontroversen schnell andeuten und Konflikte möglich erscheinen, die, zuerst nur unter der Oberfläche gesellschaftlicher Konventionen, bald jedoch die jeweils eingenommenen Rollen aufbrechen und bislang individuell gehegte Befindlichkeiten fragil werden lassen.

„Gegenlicht“ findet in einer nicht dem Raum, jedoch dem Zeitgeist weit entfernter Sphäre statt. Die Figuren bedienen sich einer, der stilistischen Sicherheit des Autor sei gedankt, Ausdrucksweise, die, haben die Leserinnen und Leser sie einmal verinnerlicht, den Roman zu einem Erlebnis, zu einem stillen Feuerwerk geschliffener Sprachkunst macht. Wann durfte, wann konnte das Lesepublikum in einem Werk der aktuellen deutscher Literatur Wörter wie „Liebreiz“ und „pläsierliches Unterfangen“ finden, lesen – und genießen?

Es ist nicht zuletzt diese, von sprachlichem Purismus weit entfernte Diktion des Autors, die aus „Gegenlicht“ ein subtiles Spiel mit dem macht, was gemeinhin als individuelle Freiheit und kreative Autonomie, begriffen als Gegenentwurf zum Geplapper auch und gerade des künstlerischen Mainstreams, verstanden wird.

Dass es bei Inanspruchnahme, besser gesagt, beim Versuch Freiheit zu leben, zu erleben, um letztendlich die Persönlichkeit auf eine neue, eine andere Ebene der Erfahrung von neuen Facetten der Alltäglichkeit zu transformieren, auch immer das Scheitern möglich ist, zeigt, so zumindest der Eindruck des Rezensenten, das Resümee, das Romi nach dem Ende der Reise zieht. Liegen wirklich, wie sie es glaubt, „neue Möglichkeiten vor ihr“ oder nicht doch das Wissen darum, das etwas verloren gegangen ist und „nur ein wenig Sehnsucht“ übrig bleibt. „Wonach?“ - das letzte, weitere Fragen andeutend, Wort des Romans.




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Veröffentlicht am 15. April 2020