Buchkritik -- Juli Zeh -- Leere Herzen

Umschlagfoto, Buchkritik, Juli Zeh, Leere Herzen , InKulturA Wer hätte gedacht, dass in der deutschsprachigen Literatur, die nicht nur im Feuilleton der Qualitätsblätter unentwegt eine Abgrenzung gegenüber sog. Unterhaltungslektüre betreiben lässt, sich gleichsam für besser hält, weil natürlich politisch eher links positioniert und stets die Botschaft "Wir verachten euch, die ihr nicht zu denkt wie wir" für diejenigen bereit hält, die deren Elaborate nicht goutieren mögen, ein Roman erscheint, der sowohl literarisch-ästhetisch als auch erzählerisch-spannend daherkommt?

Juli Zeh, eigentlich politisch auch irgendwie eher links zu verorten - 2017 trat sie in die SPD ein - gelingt mit ihrem neuen Roman "Leere Herzen" trotzdem ein Werk, das überaus gekonnt verschiedene Genres vereint. Polit-Thriller, Gesellschaftssatire und die diesmal eher grobe Sezierung der Psyche ihrer Figuren. Apropos Satire, es gibt nur wenige Romane, denen es gelingt, bis zum Schluss die Verspottung ihrer Protagonisten durchzuhalten, doch der Autorin gelingt dies anscheinend mühelos und mit viel Spaß an der Demaskierung.

Sie zeigt kein Mitgefühl mit ihren Personen. Britta, die zusammen mit dem digital versierten Weichei Babak eine psychologische Dienstleistung der besonderen Art anbietet, verdient das Geld für den äußerst kommoden Lebensstil der Familie. Ihr Mann betreibt ein mehr schlecht als recht funktionierendes Startup-Unternehmen, das erst durch politisch-kriminellen Einfluss zu finanziellem Erfolg zu gelangen scheint.

Ihre Freundin Janina und deren Lebensgefährte sind kleine Lichter mit großen Träumen, deren Realisierung nur mit Brittas monetärer Unterstützung funktioniert. Die deutsche Gesellschaft, und jetzt wird es politisch-analytisch, wird nach dem Wahlerfolg der BBB - der Roman spielt im Jahr 2025 - mit dem bedingungslosen Grundeinkommen ruhig gestellt und durch diverse "Effizienzpakete" auf einen strammen konservativen Kurs gebracht. Alle scheinen zufrieden zu sein und niemand will etwas verändern, weil jeder im Kokon des Seins mit seinen Egoismus beschäftigt ist.

Die europäische Idee ist (endlich) gescheitert und starke Männer (Trump, Putin und Erdogan) betreiben Realpolitik, Merkel (endlich) durch Regula Freyer von der Besorge Bürger Bewegung davongejagt und die deutschen Bürger würden eine Gratis-Waschmaschine eher bevorzugen als Wahlen.

Die Welt ist, wie der Roman, zynisch geworden und da bedienen Britta und Babak mit ihrer Firma "Die Brücke" eine Marktlücke. Durch einen raffinierten Algorithmus filtern sie zu ihrem Selbstmord entschlossene Menschen (Männer) heraus und bieten sie nach einem harten Selektionsverfahren, in dessen Verlauf die persönliche Motivation zum Suizid getestet wird, Terrorgruppen und auch, was für ein wunderbarer Zynismus, NGO`s als Selbstmordattentäter an.

Man sollte diesen Roman durchaus einmal entgegen der im Feuilleton veröffentlichten Stimmen lesen. Was wie eine Gesellschaftskritik verpackt ist, entpuppt sich dann auf einmal als willkommene und lang ersehnte Entpolitisierung der Gesellschaft. Die Bürger sind froh, dass nach den Merkel`schen Wirren wieder Ruhe und Ordnung in der Gesellschaft ihren angestammten Platz erhalten haben. Zeitungen, die sich lange als Organ der Hofberichterstattung und Propagandaapparate verstanden haben, gibt es in dieser Form nicht mehr. Die Menschen machen wieder das, was sie in einem geordneten Staatswesen eigentlich auch tun sollten, sie leben ihr kleines, für sie jedoch bedeutendes Leben.

So ist es vor allem Britta, die sich, als sie die nur oberflächlich harte, nichtsdestoweniger zu einem Attentat entschlossene Julietta kennenlernt, mehr und mehr einer Wandlung bewusst wird, die sie zum Schluss zu einer Aktion treibt, deren Gründe den oberflächlichen Leser durchaus ratlos zurücklassen, die jedoch keine Zweifel an der politischen Botschaft zulassen.

Obwohl nicht alles logisch ist, was Zeh da schreibt, warum sollte z. B. der BND nach dem Scheitern seines Putschversuches die Firma von Brittas Ehemann Richard weiterhin unterstützen und ihr damit das ermöglichen, was der fingierte Millionär und vermeintliche Startup-Unterstützer ihr nahelegt, die Rückkehr ins Familiäre?, ist "Leere Herzen" durchaus ein Roman, der es geradezu fordert, zwischen den Zeilen gelesen zu werden. Genau dort entdeckt man Erstaunliches oder, die Autorin ist immerhin Juli Zeh, etwa doch nicht?




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Veröffentlicht am 14. Januar 2018