Buchkritik -- Dennis Lehane -- In der Nacht

Umschlagfoto, Dennis Lehane, In der Nacht, InKulturA Gibt es einen Unterschied zwischen einem Gangster und einem Gesetzlosen? Joe Coughlin hält sich jedenfalls für letzteren. Im Amerika der Prohibitionszeit steigt Joe von einem kleinen Ganoven auf zum mächtigsten Kriminellen Floridas. Dennis Lehane hat mit "In der Nacht" ein Gangsterepos geschrieben, das die 20er und 30er Jahre Amerikas aus der Sicht eines Verbrechers betrachtet.

Nun hält sich jedoch Joe beileibe für keinen Gangster, sondern er besteht darauf, ein Gesetzloser zu sein, der sich zwar seine eigenen Regeln macht und der abseits gesellschaftlicher Konventionen stehen will, jedoch durch die Liebe zu einer Frau - was gibt es für eine größere Konvention als eine Liebesbeziehung - in seinem Streben nach krimineller Entfaltung bestärkt wird.

Es ist eine harte Zeit, in der Joe Coughlin seinen Platz suchen wird. Der Vater, als Polizist auf der anderen Seite des Gesetztes stehend, kann dem Gewerbe seines Sohnes keinen Einhalt gebieten, zu groß ist die Verlockung schnell verdienten Geldes.

Der junge Kriminelle muss eine harte Lehrzeit absolvieren und lernt, dass es im Gefängnis noch schlimmer zugeht als auf den Straßen von Boston. Lehane bettet seinen Roman geschickt in den historischen Kontext ein. Joe ist Zeitzeuge des Verfahrens gegen Sacco und Vanzetti und auch die Rassenunruhen von Tulsa werden aus der Sicht weißer Protagonisten geschildert.

Lehane versteht es wieder einmal meisterhaft, seine Figuren mit Charakter und Charisma auszustatten. Emma, die Liebe des jungen Joe ist für Femme fatal und Heilige zugleich. Sein Vater ist ein standhafter bis sturer Gesetzeshüter, der es jedoch versteht, dieses Gesetz bis zum Brechen zu biegen, um seine Ziele zu erreichen. Joe wird davon unmittelbar betroffen. Damit ist der Roman auch die Geschichte einer schwierigen Vater-Sohn Beziehung und je mehr Joe ins kriminelle Milieu abgleitet, desto größer wird sein Respekt, den er für seinen Vater empfindet.

Natürlich fehlen nicht die üblichen Zutaten eines Mafia-Romans. Blutige Machtkämpfe, besessen-krampfhafte Machoallüren um die Ehre und immer wieder das ohnmächtige Erweisen des Respekts gegenüber alten Mafia-Bossen, das jedoch auch nicht vor Verrat und Ermordung schützt

Als bestimmender Faktor des Romans erweisen sich die ethnischen Konflikte, die gerade im Milieu der kriminellen Subkultur von ausschlaggebender Bedeutung sind. Die Hispanics gegen die Schwarzen, die Latinos gegen die Kubaner und die Weißen gegen alles was farbig ist. Joe Coughlin ist in dieser Beziehung wenig zimperlich und hat als einziges Kriterium den geschäftlichen Erfolg.

Es ist ein spannendes Buch, das Lehane da geschrieben hat. Mit fast literarischer Qualität beschreibt er den Lebensweg eines Kriminellen vom Kleinganoven bis zum wichtigsten Verbrecher Floridas. Mafia, Polizei und Justiz sind in einem Kartell gegenseitiger Abhängigkeiten und Gefälligkeiten verstrickt, das erst durch die US-amerikanischen Prohibitionsgesetze ermöglicht wurde. Bündnisse und Fronten verlaufen quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und sind oft nur kurzfristig gütig. Freundschaften sind selten und auch Joe muss erkennen, dass der Profit und die Gewinnmaximierung über allem steht.

"In der Nacht" von Dennis Lehane ist ein großartiger und atmosphärisch dichter Roman über den Kampf eines Mannes um seinen Platz in der Welt.




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Veröffentlicht am 8. Februar 2014