Buchkritik -- Christian Linder -- Der Bahnhof von Finnentrop

Umschlagfoto  --  Christian Linder --  Der Bahnhof von Finnentrop Carl Schmitt, immer noch Persona non grata der bundesrepublikanischen Geschichte, polarisiert auch noch lange nach seinem Tod im Jahr 1985. "Kronjurist" des Dritten Reichs und Anhänger des Nationalsozialismus stand er zeit seines Lebens zwischen den Fronten. Haben doch sowohl die Nazis, als auch nach dem Untergang des Faschismus, die neuen Machthaber versucht, ihn aus der öffentlichen Wahrnehmung zu entfernen.

Christian Linder legt nun mit Der Bahnhof von Finnentrop eine, wie er es nennt Reise ins Carl Schmitt Land vor. Was auf den ersten Blick aussieht wie eine Biographie, erweist sich schnell als fortgeschrittene Einführung in das Denken dieses so umstrittenen Gelehrten. Ausgestattet mit fiktiven Dialogen versucht Linder, seinem Objekt näher zu kommen.

Bei diesem gewagten Unternehmen gelingt es ihm, seinen Lesern die Vielschichtigkeit der Person Schmitts zu zeigen. War dieser doch eine weit über dem Durchschnitt liegende intellektuelle Persönlichkeit. Linder verschweigt weder die Verstrickung Schmitts in den Nationalsozialismus, noch beschönigt er dessen Ressentiments gegenüber Juden.

Geschickt montiert der Autor verschiedene Versatzstücke zu einem in sich stimmigen Gesamtbild einer Person, deren Schicksal es war, an jedem Ort und zu jeder Zeit zwischen den Stühlen zu sitzen. Seine akademische Bildung, sein umfangreiches, über alle Fachgrenzen hinausweisendes Wissen und seine analytischen Fähigkeiten, machten ihn trotz aller öffentlicher Ausgrenzung zu einem gefragten Gesprächspartner.

Der Autor läßt den Gegenstand seiner Untersuchung ausgiebig mit Zitaten zur Rede kommen. Das ist gut, denn nur auf diese Weise kann sich der unvoreingenommene Leser ein eigenes Urteil bilden. Ob die fiktiven Dialoge ebenfalls dazu geeignet sind, bleibt jedoch fraglich, schwingt in ihnen doch per se immer schon eine persönliche Konnotation mit.

An der Person Carl Schmitts werden sich auch weiterhin die Geister scheiden. Christian Linder hat jedoch mit seinem Werk dazu beigetragen, die Vielschichtigkeit dieses Ausnahmeakademikers zu zeigen.




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