Buchkritik -- Reinhold Messner -- Wild

Umschlagfoto, Buchkritik, Reinhold Messner, Wild, InKulturA Es gibt Bücher, die, allein weil sie vollkommen gegen den Zeitgeist geschrieben sind, auf wunderbare Weise Tugenden und menschlichen Qualitäten ein Denkmal setzen, das den Leser an Zeiten erinnert, als es noch galt, sich selbst, das Individuum zu etwas höherem als zu bloßem Leben zu vervollkommnen.

In einer Zeit wie der unseren, in der Werte wie Loyalität, Freundschaft und Bescheidenheit bestenfalls noch als überwundenen Kuriositäten, als altmodische Skurrilitäten gelten und mit dem Attribut "irgendwie von gestern" konnotiert sind, veröffentlicht Reinhold Messner ein Werk, das genau diese Humanressourcen, vereinigt in der Person des Frank Wild in den Mittelpunkt der Handlung stellt.

Zusammen mit Ernest Shackleton und 26 Männern strandet er im Jahr 1914 auf einer unbewohnten Insel, weitab jeglicher Schiffsrouten. Ihr Plan die Antarktis zu durchqueren scheitert, als die Endurance vom Packeis zermalmt wird. Auf Elephant Island, so der Name ihrer Zufluchtsstätte, verblieben bis auf Shackleton, der sich zusammen mit fünf Männern des Teams in einem Rettungsboot auf den Weg nach Südgeorgien machte, um eine Rettungsmission für die Verbleibenden zu initiieren, der Rest der Mannschaft, u. a. auch Frank Wild. Dem Überlebenswillen dieses Mannes, seiner Fähigkeit, die Moral trotz extrem widriger Umstände aufrecht zu erhalten, seiner Empathie und seinem Können auch in gefährlichen Situationen ruhig und besonnen zu bleiben, verdankten die Männer ihr Leben.

Reinhold Messner macht aus diesem dramatischen Ereignis ein mit viel literarischen Freiheiten ausgestatteten Roman. Ob die Dialoge, manchmal etwas hölzern daherkommend, wirklich so geführt wurden, sei dahingestellt. Darauf kommt es auch gar nicht an, wichtig ist allein sein Gespür für die Situation auf der unwirtlichen Insel, auf der die Männer April bis August 1916 Zuflucht fanden und einzig die Überzeugung Wilds, sein Freund Shackleton würde, wie versprochen zurückkehren und sie retten, gab den ihm anvertrauten Männern Zuversicht auch in dunkelsten Stunden. Dabei, auch das muss erwähnt werden, schwankt der Leser zwischen Bewunderung und Unverständnis angesichts des heute als irrwitzig betrachteten Versuchs, mit unzureichenden Mitteln die Durchquerung der Antarktis zu versuchen.

Man darf, wie bei allen historischen Begebenheiten, niemals den Zeitgeist der betreffenden Epoche außer acht lassen. Peary, Cook und Nansen am Nordpol. Amundsen, Scott und Shackleton am Südpol; es war die Zeit männlich heroischer Entdeckungsfahrten, die jedoch schnell im Strudel des Ersten Weltkriegs an Bedeutung und Interesse verloren.

Genau dieses "sich auf den Weg machen" beschreibt Messner im Roman mit dem Einfühlungsvermögen eines Menschen, der sich oft in ähnlichen Situationen befunden hat und der aus diesem Grund das Verhalten Frank Wilds nachvollziehen kann, ja geradezu bewundert. Es gelingt ihm, die schrecklichen Monate auf Elephant Island so plastisch zu schildern, dass der Leser mehr als einmal fröstelt und sich angesichts des schieren Überlebenswillens dieser Männer die Frage stellt, wie er wohl angesichts des drohenden Todes reagiert hätte.

"Die Polarfahrten gehören zum Absurdesten, was sich der Mensch geleistet hat", so Ernst Jünger. Obwohl deren damalige Erkenntnisse und Nutzen eher gering einzuschätzen sind, war, so Jünger weiter, "...ihre symbolische Kraft außerordentlich." Nichts weniger zeigt Reinhold Messner mit seinem Buch über Frank Wild.




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Veröffentlicht am 21. Januar 2018