Buchkritik -- Jørn Riel -- Das Haus meiner Väter

Umschlagfoto  -- Jørn Riel  --  Das Haus meiner Väter 1970 veröffentlichte Jørn Riel zum ersten Mal sein Roman "Das Haus meiner Väter". Erst im Jahr 1999 erschien im Unionsverlag Zürich eine deutsche Übersetzung. Das ist bedauerlich, denn das Buch hätte es verdient, weitaus früher bekannt zu werden. Um es gleich vorweg zu sagen, dieser Roman hat mich dermaßen in seinen Bann geschlagen, das ich erst mit der Lektüre aufhörte, als ich buchstäblich die letzte Seite gelesen hatte.

Was vordergründig als Roman erscheint, ist in Wirklichkeit ein philosophisches Manifest für Toleranz, Respekt, Gastfreundschaft und die Fähigkeit, das Leben als einen ruhigen Fluß zu betrachten, in dessen Mitte man schwimmen sollte. Um was geht es? Riel beschreibt das Leben von Eskimos, die, nahezu unberührt von der westlich-technologischen Zivilisation, in der Arktis ihr Dasein haben. Im Einklang mit den Möglichkeiten welche die Natur ihnen bietet, gelingt es ihnen ein, für uns unvorstellbar, heiteres Leben zu führen. Das bedeutet jedoch nicht, das Riel in seinem Roman die letzte "Insel der Seligen" beschreibt. Nein, auch dort wird gestohlen und geschehen Verbrechen. Doch auf eine so ganz andere Art und Weise als wir es gewohnt sind, gehen seine Figuren mit dem Leben und seinen Wechselfällen um.

Er schildert die Geschichte eines Jungen, der auf eine wundersame Weise gleich fünf Väter hat. Diese fünf Männer teilen sich mit Hilfe einer alten Eskimofrau die Erziehung des Jungen. Alle fünf fanden ihren Platz in der Weite der Arktis, nachdem sie von der westlichen Gesellschaft als "untauglich" dazu betrachtet wurden, in ihr zu leben.

In der Arktis nun gelingt es ihnen sowohl miteinander als auch mit sich selber ins reine zu kommen und sich eine erfüllte Existenz aufzubauen. Riel beschreibt diesen Prozeß mal als urkomisch, dann aber auch wieder mit ungeheurem Respekt vor seinen Figuren. Da der Autor selber jahrelang in der Arktis lebte, dürfte wohl nicht alles was er schreibt reine Fiktion sein, sondern manche seiner Figuren wird schon ein lebendes Vorbild haben.

Bis auf eine Ausnahme sind seine Protagonisten keine im westlichen Sinn gebildete Personen, doch sie besitzen die bei uns seltene Fähigkeit instinktiv zu handeln und alles zu einem guten Ende zu bringen. Intellekt so wie ihn die westliche Welt produziert, wäre ihnen nicht nur hinderlich, sondern für sie und alle mit ihnen in der Arktis lebenden Menschen sogar gefährlich. Es ist beeindruckend wie es Riel gelingt, ihr Dasein, welches sie im Einklang mit der sie umgebenden, eigentlich lebensfeindlichen Natur zu schildern.

Sooft wie ich beim lesen dieses Romans herzhaft lachen mußte, sooft mußte ich auch eine gewisse moralische Überlegenheit der fünf Männer anerkennen. Wie gesagt, nicht alles was Riel schreibt ist Fiktion, sondern während seiner Zeit in der Arktis dürfte er dem einen oder anderen kuriosen Individuum begegnet sein.

Das Werk strahlt eine souveräne Menschlichkeit aus, die ich schon lange in keinem Buch und schon gar nicht im alltäglichen Umgang miteinander angetroffen habe. Es ist eines derjenigen Bücher, das ich auf die "einsame Insel" mitnehmen würde. Ich denke, das derjenige Leser der "Ohren zum Hören und Augen zum Sehen hat", in diesem Roman sehr viel über sich selber entdecken kann. Gibt es ein größeres Kompliment für ein Buch?




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