Buchkritik -- Eugen Sorg -- Die Lust am Bösen

Umschlagfoto  -- Eugen Sorg  --  Die Lust am Bösen Es gibt Bücher, die den Leser geradezu herausfordern, sich unangenehmen Wahrheiten zu stellen. Diese Bücher räumen gründlich auf mit lieb gewonnenen Urteilen und Meinungen und lassen den rauen und gnadenlosen Wind der Wirklichkeit durch einen träge gewordenen Geist wehen. Wer sich darauf einlässt, für den wird die Welt(anschauung) nie mehr so sein, wie vorher.

Das Buch Die Lust am Bösen von Eugen Sorg ist solch ein Werk von elementarer Wucht. Sein Thema ist die Frage, ob Gewalt, Brutalität und Sadismus Ausnahmen einer Spezies sind, die sich, zumindest im westlich geprägten Teil der Welt, anmaßt, das Böse mittels einer Diskussions- und Diskurskultur als nicht existent zu erklären. Vielmehr wird das Individuum als Produkt, bzw. als Opfer seiner Umstände definiert und damit das Böse als gesellschaftliche und soziale Kontamination des Einzelnen verstanden.

Nichts könnte falscher sein, so Eugen Sorg. Er war als Delegierter des Internationalen Roten Kreuzes in Krisengebieten - so der Euphemismus westlicher Politiker für Gebiete in denen sich für den liberal-verwöhnten Geist unvorstellbare Verbrecher abspielen - tätig und spricht aus unmittelbarer Erfahrung der dunklen Abgründe menschlicher Handlungen. Gewalt ist mitnichten die einzige Ausdrucksmöglichkeit einer gequälten Seele, sondern ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Psyche.

Alle Philosophie, alle Pädagogik, aber auch jeder gesellschaftliche Versuch, mit Hilfe von Therapien - welcher Art auch immer - die menschliche Disposition zur Gewalt zu unterbinden, muss zwangsläufig fehlschlagen. Rückfallquoten von entlassenen Gewalttätern trotz positiver Zukunftsprognose von "Experten" sind da nur die Spitze eines Eisbergs, den der saturierte und domestizierte westliche Lebensstil nicht mehr sehen will.

Wenn Sorg von der "Lust am Bösen" spricht, dann ist der Begriff des Bösen doch erst einmal etwas verwirrend, hat doch der Zeitgeist in Form einer therapiewütigen Sozialindustrie den Begriff des Bösen als überholten und längst aus der Mode gekommenen Terminus der christlichen Religion gebrandmarkt. Vom Bösen zu sprechen bedeutet für den Absender, sich in den Augen eines progressiven Gesellschafts- und Sozialingenieurs als ein mit den Ideen der Voraufklärung behaftetes Fossil darzustellen. Damit entfällt für den Adressaten von vornherein die Pflicht einer ernsthaften Prüfung der Argumente.

Es ist die dem Zeitgeist geschuldete Blindheit gegenüber menschlichen Abgründen, die dafür sorgt, dass eine sich aufgeklärt und intellektuelle überlegen wähnende Gesellschaft die Realität zu einem Kaleidoskop beliebiger Wohlfühldiskurse transformiert.

Sorg schreibt dazu:

"Sie spiegelt die Lebensrealität des durch­schnittlichen westlichen Lohnintellektuellen. Dieser ist Teil eines kleinen, selbstrcferentiellen, nach eigenen Ritualen sich verständigenden Milieus, das sich an Worten, Abstraktionen, kanonisierten Theorien nährt. Seine existentiellen Erschütte­rungen sind ausgebliebene Beförderungen, Buchverträge, Hy­pothekarzinserhöhungen, Kollegenneid, eine geheime Af­färe mit einer Studentin. eine Prostataoperation. Der Lärm, das unübersichtliche Gewühl, die Phantasmen der übrigen Weh dringen kaum zu ihm vor. Sie liegen jenseits seiner Er­fahrung, sein rationales Denksystem lässt nur die Wahrneh­mung anderer rationaler Systeme zu. In scholastischer Ma­nier Ideen und blutleere Begriffsarchitektur überschätzend, war es folgerichtig, dass die akademischen Auguren von jeder der epochalen Verwerfungen der letzten Jahrzehnte über­rascht wurden."

Das Böse, und damit hat Eugen Sorg vollkommen recht, ist kein Teil eines als überholt und unmodern geltendem religiösen Befindes, sondern Ausdruck dessen, was zutage tritt, wenn der äußerst dünne Firnis, den wir Zivilisation nennen, und der über den menschlichen Abgründen liegt, aufbricht und alle schönen Theorien und Festtagsreden über Humanität vergessen lässt.

Der Autor schlägt einen großen Bogen über die Kriege im ehemaligen Jugoslawien, den Völkermord in Ruanda, Somalia, Liberia und im Sudan. Überall war er Augenzeuge der Manifestationen des Bösen in Gestalt menschlicher Brutalität. Gleichzeitig warnt er vor einem radikalen Islam, der sich längst auf dem globalen Vormarsch befindet. Diese Religion, so Sorg, besitzt aufgrund ihres Dogmas von der Überlegenheit und Einzigartigkeit muslimischen Lebens per se den Willen zur Unterwerfung und Vernichtung von Andersgläubigen.

Es ist bezeichnend, dass der Autor an dieser Stelle keine theologische Diskussion führen will, sondern er spricht explizit eine Warnung vor der Gewaltbereitschaft im Namen Allahs aus. Auch an dieser Stelle steht seine Argumentation nicht im luftleeren Raum akademischer Menschheitsvorstellungen, sondern sie ist das Resultat jahrelanger Erfahrungen im Umgang mit diesen religiösen Fanatikern.

Das westliche Konsens- und Wohlfühldenken täte gut daran, sich den warnenden Worte Eugen Sorgs nicht aus politisch motivierten Gründen zu verschließen. Die Realität war schon immer different von den ideologisch gefilterten Wahrnehmungen der Mainstreamintellektuellen.

Noch einmal Eugen Sorg:

"Die Auffassung, die Kräfte der Destruktion seien eine Art Fehlverhalten, das mit sozialpädagogischen Reme­duren und Umbenennungen zum Verschwinden gebracht werden könnte, ist der Voodoo der aufgeklärten Eliten."

Dem ist nichts hinzuzufügen.




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