Buchkritik -- Joël Dicker -- Die Geschichte der Baltimores

Umschlagfoto, Buchkritik, Joël Dicker, Die Geschichte der Baltimores, InKulturA In der Rückschau wird sich der Jugendzeit oft mit einem verklärten Blick genähert, wohl darum wissend, dass diese nur aus der Perspektive des inzwischen Erwachsenen eine Zeit der Unbeschwertheit und des Glaubens an die eigenen Unsterblichkeit gewesen ist. Joël Dicker, ein begnadeter Erzähler, hat in seinem Roman "Die Geschichte der Baltimores" eine Familiensaga geschrieben, die die Wurzeln ihren tragischen Höhepunktes bereits vor vielen Jahren in der Jugendzeit dreier Freude hatte.

Die Goldman-Gang, so nannte sich das Trio Marcus, Hillel und Woody. Die beiden ersteren verwandtschaftlich verbunden und letzterer als Adoptivsohn in die wohlhabende Familie von Hillel aufgenommen. Zusammen, so Marcus, der inzwischen als Schriftsteller erfolgreich ist, wollte man "den Ozean bändigen". Dicker erzählt den langen Weg zur, wie die Baltimores es nennen, Katastrophe, der über jugendliche Freundschaft und den sich unweigerlich einstellenden Gefühlen von Neid, Missgunst und Verrat führt. Was in jungen Jahren als verbindend gilt, erhält im Lauf der Zeit eine jeweils individuell empfundene Kränkung. Je älter die Freunde werden, desto größer wird, trotz aller Freundschaft, die persönliche Distanz und die daraus sich ergebenden Animositäten. Als die einige Jahre ältere Alexandra zu dem Trio stößt, brechen die Konflikte offen aus.

Es sind zwei unterschiedliche soziale Welten, die die beiden Goldmanfamilien trennen. Marcus lebt mit seinen Eltern in bescheidenen, jedoch nicht ärmlichen Verhältnissen und fühlt sich zu der wohlhabenden Familie seines Cousins Hillel hingezogen. In jugendlicher Verblendung, von Dicker mit viel Sympathie beschrieben, schämt er sich für seine Herkunft und erst als Erwachsener lernt er, dass seine eigene Familie dem mondänen Schein der Baltimore-Goldmans weit überlegen war.

Joël Dicker erzählt die Familiengeschichte aus der sicheren zeitlichen Distanz. Hier die unbeschwerte Jugendzeit mit ihren emotionalen Höhepunkten und dort die darin angelegten Gründe, die direkt zum tragischen Höhepunkt führen. Dabei vermeidet er Klischees und trotzdem gelingt es ihm, eine unzertrennliche Freundschaft mit liebevoller Diktion zu beschreiben.

Doch das Leben geht weiter und Marcus muss erfahren, dass es auch bei den Baltimore-Goldmans Neid und Missgunst gibt. Die heile Welt junger Jahre zerbricht einmal mehr an der harten Realität. "Die Geschichte der Baltimores" von Joël Dicker ist ein Lehrstück über subjektive Wahrnehmung und deren deren Einfluss auf das Indivisuum.




Meine Bewertung:Bewertung

Veröffentlicht am 25. Juni 2016