Buchkritik -- Michael Ludwig Müller -- Die DDR war immer dabei

Umschlagfoto  -- Michael Ludwig Müller  --  Die DDR war immer dabei Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs prallten in Deutschland die beiden Machtblöcke USA und UdSSR aufeinander. In keinem anderen europäischen Land kamen sich die zwei unterschiedlichen Systeme zu nah wie im geteilten Deutschland. Dieses, ohnehin gespannte Verhältnis bekam 1961 durch die Errichtung der Berliner Mauer zusätzliche Brisanz. Der zweite Deutsche Staat, die DDR, unternahm auf Weisung Moskaus alles Denkbare, um die politische Landschaft des verhassten Klassenfeinds zu destabilisieren. Michael Ludwig Müller hat in seinem Buch Die DDR war immer dabei den Versuch unternommen, die zahlreichen Kampagnen der Spionage und der Manipulationsversuche seitens der DDR-Führung und ihrer Werkzeuge - SED und Stasi - zu dokumentieren.

In den Augen der SED-Ideologen lebte der Faschismus in der Bundesrepublik ungeniert weiter. Der Klassenfeind, die BRD, bediente sich seiner, um gegen die "Friedenskräfte" des Sozialismus zu kämpfen. Sowohl die Staatssicherheit (Stasi) der DDR, als auch die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) waren bestrebt, unmittelbaren Einfluss im politischen Alltag der Bundesrepublik zu erlangen. Ein weiteres Ziel ihrer Aktivitäten lag in den überwiegend geglückten Anwerbungsversuchen im universitären Milieu der Berliner Universitäten.

Die Versuche der Bespitzelung, der Spionage und der Manipulationen sind Legion. So ist dann auch die Auswahl der Vorfälle, die in diesem Buch dargestellt werden, nur die Spitze des Eisbergs. Gleichwohl zeigen sie die vielschichtigen Bemühungen des DDR-Apparats in seinem Kampf gegen den Klassenfeind. Eines dieser Felder war der verdeckt geführte Kampf der SED sowohl gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik unter Konrad Adenauer als auch gegen die Durchführung des NATO-Doppelbeschluss, der eine Reaktion des Westens auf die atomare Bedrohung durch die auf Westeuropa gerichteten nuklearen Kurz- und Mittelstreckenraketen der UdSSR war.

In beiden Fällen gelang es der SED und der Stasi, willige Helfer in der Bundesrepublik zu rekrutieren. Studenten, Politiker und Journalisten ließen sich, manchmal in Unkenntnis der wahren Initiatoren, zum vehementen Protest gegen die anstehenden politischen Entscheidungen instrumentalisieren. Es ist ein Phänomen, der Autor betont es immer wieder, dass sich diese Protestbewegungen unter Verdrängung der tatsächlichen Bedrohung, die real seitens der UdSSR existierte, formierte. Diese Blindheit auf dem linken Auge ist eine Erscheinung, von der leider auch die aktuelle Politik betroffen ist.

Nicht weniger beliebte Ziele politischer Einflussnahme seitens der DDR waren die Medien und ihre Vertreter. Das immer noch nicht restlos geklärte Verhältnis des damaligen "Enthüllungsjournalisten" Günter Wallraff zur Staatssicherheit der DDR und der von der SED initiierte Kampf gegen den Verleger Axel Springer werden von Müller dann auch ausführlich untersucht.

Wenn auch das politische System, der Staatssozialismus der DDR, seinen Bürgern keine Freiheit ließ, so saßen doch in seinen Organen, allen voran in der Staatssicherheit, Personen, denen es durch Ideen und Kreativität gelang, Informationen aus den höchsten Stellen des bundesrepublikanischen Systems zu erhalten. Ein beliebter Ansatzpunkt waren unter anderem die Sekretärinnen von Politikern. Alleinstehend und an den Wochenenden einsam, waren sie ein dankbares Ziel östlicher "Romeos", die es verstanden, diese sprudelnden Quellen weidlich auszunutzen.

Michael Ludwig Müller lässt viele markante Beispiele Ost-Deutscher Infiltrationsversuche Revue passieren: Günter Guillaume, persönlicher Referent von Willy Brandt. Karl-Heinz Kurras, Kriminalobermeister im damaligen West-Berlin und verantwortlich für den Tod von Benno Ohnesorg. Frau R. H., ehemalige Chefsekretärin von Axel Springer. Das sind, wie gesagt, die "schillernden" Fälle. Daneben gab es die zahlreichen, nicht in die Medien gelangten Bespitzelungen im Freundes- und Kollegenkreis, deren Ausmaße erst durch die Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen bekannt wurden.

Das Buch Die DDR war immer dabei wird in einer Zeit veröffentlicht, in der sich nicht wenige Medien daran machen, die real existierenden Zustände der ehemaligen DDR zu romantisieren. Filme, Ausstellungen und die Veröffentlichung persönlicher Erinnerungen wollen eine andere DDR zeigen, die es jedoch nur in rückblickender Verklärung gibt. Es besteht der Eindruck, dass eine wirkliche Aufarbeitung der geheimdienstlichen Aktivitäten der Stasi politisch nicht mehr gewünscht ist. Gerade die in der Bundesrepublik zu Amt und Würden gelangte ehemalige Spitzel und Verräter, aber auch kleine, schwache und ideologisch verblendete Mitläufer haben naturgemäß kein großes Interesse an der Vergangenheitsbewältigung. Michael Ludwig Müller hat mit seiner Veröffentlichung einen Stachel im Fleisch der "Aktenschließer" hinterlassen. Das ist gut so.




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