Buchkritik -- Hermann Detering -- Die Lust der Welt und die Kunst der Entsagung

Umschlagfoto, Hermann Detering, Die Lust der Welt und die Kunst der Entsagung, InKulturA Im September 2013 veröffentlichte die UN eine Rangliste der glücklichsten Völker der Welt. Umfragen aus rund 160 Länder wurden ausgewertet und Deutschland landete überraschend relativ weit abgeschlagen auf Rang 26. Ausgerechnet die Wirtschaftsmaschine Europas ist beim gefühlten und empfundenen Glück Mittelmaß. Wie passt das zusammen mit der den Deutschen von Wirtschaftsinstituten immer wieder bestätigten Konsumfreudigkeit und - nach dem die Eurokrise sich angeblich dem Ende nähert - dem wirtschaftlichen Optimismus der Deutschen?

Das Geld sitzt locker in der Tasche und wartet nur darauf in Konsumartikel umgetauscht zu werden. Gerade jetzt, kurz vor Weihnachten, beginnt wieder einmal die Schlacht an den Ladentischen der Republik und die Parole lautet, je teurer desto besser.

Anscheinend jedoch, schenkt man dem UN-Bericht Glauben, kann der ganze materielle Zirkus nicht darüber hinwegtäuschen, dass irgendetwas nicht stimmt mit den Menschen. Trotz großflächiger Sättigung mit elektronischen Unterhaltungsgeräten, Smartphones, modischen Accessoires, etc. scheint, wirft man einen Blick in die Gesichter der rastlosen Konsumfetischisten, Zufriedenheit eine Mangelerscheinung zu sein. Leer, gehetzt, müde und abweisend, so wandeln viele Zeitgenossen durch die bunten Einkaufszentren der Republik. "Ich konsumiere, also bin ich" ist das Credo einer Zeit, in der Luxus sogar beim Discounter erworben werden kann.

Es ist also etwas faul im Land, wenn die Menschen sich allen erfüllten Wünschen zum Trotz unglücklich fühlen. Da kommt das Buch von Hermann Detering gerade recht. "Die Lust der Welt und die Kunst der Entsagung" ist ein dem Ernst des Themas angemessener, trotzdem jedoch vergnüglicher Streifzug durch die großen Entsagungs-und Verzichtslehren in Religion und Philosophie.

Die Welt ist etwas, das überwunden werden muss. So könnte man, in freier Umwandlung eines Zitats von Friedrich Nietzsche, den Grundgedanken asketischen Denkens bezeichnen. Die Welt, besser ausgedrückt, das Weltliche als Quelle allen Übels gilt es zu eliminieren um, wie im Buddhismus, dem leidvollen Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt zu entkommen.

In seinem Buch schlägt Hermann Detering einen großen historischen Bogen von der indischen und griechischen Philosophie über den christlichen Askesegedanken hin zu islamischer Mystik. "Die Lust der Welt und die Kunst der Entsagung" ist ein informativer Leitfaden für diejenigen, die sich nicht damit abfinden wollen, dass Konsum und Gewinnmaximierung als Glaubensbekenntnis des Kapitalismus die einzige Deutungshoheit gesellschaftlicher Entwicklung darstellt.

Man muss nicht gleich ein Hardcoreasket und sozialer Underdog sein wie der Grieche Diogenes oder versuchen es Franziskus, dem "Sanyasi von Assisi", so der Autor, gleichzutun, um zu erkennen, dass der momentan eingeschlagene Weg zu einer weiteren Ausplünderung der bereits jetzt geschundenen Erde führen wird. Weniger ist mehr. Hinter dieser scheinbar abgedroschenen Phrase steckt die Möglichkeit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Natürlich kann sich eine Gesellschaft nicht als Ganzes zu einer Gott suchenden und transzendenten Gemeinschaft transformieren. Das weiß auch der Autor. Aber, und das ist der wohlmeinende Rat, den Hermann Detering seinen Lesern mit auf den Weg gibt, anstelle des "Großen Nein" der dem Jenseits Zugewandten, der Eremiten und Weltentsager sind wir durchaus in der Lage, öfter einmal ein "Kleines Nein" gegenüber den bunter Verlockungen der Welt zu praktizieren.




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Veröffentlicht am 3. Dezember 2013