Buchkritik -- Marcantonio Colonna -- Der Diktatorpapst

Umschlagfoto, Buchkritik, Marcantonio Colonna, Der Diktatorpapst , InKulturA Als nach dem überraschenden Rücktritt von Benedikt XVI. der Argentinier Jorge Mario Bergoglio zum neuen Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche gewählt wurde, ging ein Raunen durch die christliche Welt. Der Zeitgeist war Papst Franziskus, wie er sich nannte, günstig, stand er doch wie kein anderer vor ihm für Erneuerung, Reformwillen und Modernisierung der katholischen Kirche. Doch auch der Stellvertreter Christi muss sich an seinen realen Taten messen lassen und dabei kommt Franziskus, zumindest in der Analyse von Marcantonio Colonna, ein Pseudonym, unter dem der Schriftsteller und Historiker Henry Sire ein Schwarzbuch über den aktuellen Oberhirten veröffentlicht hat, nicht gerade vorteilhaft davon.

Bereits während seiner Zeit als Kardinal in Argentinien höchst umstritten, wurde Jorge Mario Bergoglio von der, wie der Autor sie nennt, „St. Gallen Mafia“, einem Kreis von einflussreichen Kirchenführern als Nachfolger des konservativen Johannes Pauls II. lanciert. Dieser Versuch scheiterte durch die Wahl des Deutschen Kardinal Ratzinger am 19. April 2005 zum Papst.

Während seines Pontifikats erschütterten diverse Skandale die katholische Kirche. Missbrauchsvorwürfe, homosexuelle Ausschweifungen in der Römischen Kurie und finanzielle Machenschaften waren an der Tagesordnung und Benedikt XVI. ging mit Verve daran, die zahlreichen Vorfälle aufzuklären, um das desolate Bild der Kirche zu verändern.

Nach seinem Rücktritt, der mit Sicherheit in Zusammenhang stand mit den ihm von großen Teilen der Kurie entgegengebrachten Ressentiments, erhielt die sog. „St. Gallen Mafia“ die erneute Chance, einen, nach ihrem Dafürhalten, reformwilligen Papst, der die katholische Kirche in das Fahrwasser des aktuellen Zeitgeistes steuern sollte, an der Spitze der katholischen Kirche zu positionieren.

Das ist, nimmt man das Buch von Henry Sire zur Kenntnis, grandios gescheitert. Das Zitat eines Mitglieds der „St. Gallen Mafia“ und Befürworter der Wahl Jorge Mario Bergoglio zum Papst, Kardinal Murphy-O`Connor, das dieser bereits ein Jahr nach dem Amtsantritt von Franziskus tätigte, bringt es auf den Punkt. „Als die Kardinäle Bergoglio gewählt haben, wussten sie nichts von der Büchse der Pandora, die sie öffneten, sie kannten seinen stählernen Charakter nicht und wussten nicht, dass er im tiefsten Sinne ein Jesuit ist; sie wussten nicht, wen sie wählten.“

Dass sich die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt haben, sondern zum Teil in ihr Gegenteil umgeschlagen sind, beschreibt Henry Sire mit drastischen Worten. Franziskus ist, so Sire, ein despotischer Geist, der seine Umgebung auf das schärfste unter Kontrolle hat und seine Ratgeber nach dem Grad ihres Opportunismus auswählt.

Alle von seinem Vorgänger initiierten Unternehmungen die Skandale der Kirche aufzuklären und, z. B. in den Missbrauchsvorwürfen, mit einer harter Linie für die Aufklärung und Bestrafung der Verantwortlichen zu sorgen, wurden von Franziskus eher halbherzig weitergeführt oder, wie im Fall der finanziellen Manipulationen, zum Teil ganz eingestellt.

Als Beleg seiner These vom immer wieder fragwürdigen Verhalten des Papstes führt der Autor, und das ist das Außergewöhnliche an diesem Buch, Stimmen aus der Mitte der Kurie und aus den Reihen der katholischen Kirche an. Es ist also kein, wie es ihm Kritiker vorwerfen, persönlicher Rachefeldzug gegen Franziskus, sondern eine nüchterne, aber aussagekräftige Bestandsaufnahme über dessen bisheriges Pontifikat.

Nicht immer gelangen die besten, klügsten und geeignetsten Menschen in führende Positionen. Warum sollte das ausgerechnet bei der Wahl eines Papstes anders sein? Es ist jedoch nicht verwunderlich, dass Franziskus derzeit in den Mainstreammedien immer noch als Reformer, ja geradezu als Befreier von katholisch-theologischen Altlasten gesehen wird. Vielleicht liegt es daran, das nicht nur kritische Geister den aktuellen Papst für den obersten Geschäftsführer zahlreicher Flüchtlings-NGOs halten.

Leider kann das Lektorat des Buches nicht mit der Brillanz der Analysen mithalten und der Leser muss sich des Öfteren über eine mehr als holprige Übersetzung und eine sehr eigenwillige Interpunktion wundern.




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Veröffentlicht am 21. Dezember 2018