Buchkritik -- Umberto Eco -- Der Friedhof in Prag

Umschlagfoto  -- Umberto Eco  --  Der Friedhof in Prag Umberto Eco und seiner Vorliebe für Verschwörungen wird der Leser auch in seinem aktuellen Roman Der Friedhof in Prag auf über 500 Seiten gewahr. Genüsslich und manchmal etwas zu viel des Gutes nimmt er sein Lesepublikum mit auf eine historische und literarische Reise der geheimen Bewegungen in der europäischen Geistes- und Politikgeschichte.

Alle, aber auch wirklich alle tauchen auf und spielen die Rolle der unsichtbaren, aber einflussreichen Hand, die die Geschicke von Nationen und Staaten im Geheimen bestimmt und manipuliert. Illuminaten, Freimaurer, Rosenkreuzer oder, Eco zitiert sich hier selber, "... die Iren, die neapolitanischen Fürsten, die piemontesischen Generäle, die polnischen Patrioten und russischen Nihilisten...". Keiner wird ausgelassen, alle sind bei dem munteren Trubel der falschen Anschuldigungen, der gefälschten Dokumente und den groß angelegten Verschwörungen dabei.

Natürlich, und das zeigt einerseits die stupende Belesenheit des Autors, sind, mit Ausnahme des schizophrenen Simone Simonini, dem Ich-Erzähler eines großen Teils dieser Geschichte, alle Figuren historische Personen, die ihr manipulatives Unwesen real betrieben haben. Andererseits ist es für einen Roman, der nicht nur von hochspezialisierten Historikern goutiert werden soll, zumindest problematisch, wenn sich der Verlag genötigt sieht, im Anhang die handelnden Personen historisch zu verorten und dem normalen Lesepublikum eine Lektion in Geschichte zu erteilen. Für den Leser ist es jedenfalls kein Vergnügen, mit einer historischen Enzyklopädie bewaffnet, den Figuren des Romans hinterherzuspüren.

Umberto Eco hat von allem etwas zu viel in seinem Roman hineingeschrieben. Religion, jüdische Weltverschwörung, schwarze Mächte, dunkle Kräfte und eine über allem schwebende, jedoch niemals greifbare "Generalverschwörung" in Form einer ominösen Zusammenkunft auf dem jüdischen Friedhof in Prag. Unschwer erkennt diesmal auch der unbedarfte Leser, dass es sich in diesem Fall um die "Protokolle der Weisen von Zion" handelt, die immer wieder gern durch die Literatur von Verschwörungsapologeten wehen.

Natürlich zeigt Eco, wie aufgrund manipulativer Methoden politische Interessen durchgesetzt werden. Ebenso wird der Leser Zeuge, wie es, historisch belegt, diversen Interessengruppen gelang, Positionen zu besetzen und ihre propagandistische Beeinflussung der Massen zu generieren. Das geht, wie im Fall der "Protokolle" soweit, dass ganze Völker einem kollektiven Wahn verfielen. Noch hinter jeder politischen Parole stand im Lauf der Geschichte eine gezielte Einflussnahme seitens "interessierter Kreise". Dass sich diese jedes Mittel zur Durchsetzung ihrer Absichten zunutze machen, ist evident.

Der Friedhof in Prag ist sowohl Fabulierkunst auf langatmigem Niveau als auch eine Warnung vor vereinfachenden Parolen, politischer Verhetzung und Verführung durch Desinformation. Doch der Leser wird sich nicht des Eindrucks erwehren können, dass er all das schon einmal gehört oder gelesen hat. Umberto Eco hat einen Roman verfasst, der eher wie eine Kompilation von bereits Vorhandenem und längst Bekanntem wirkt, denn als originelle literarische Produktion. Diesmal benötigt der Leser viel Geduld mit dem Autor.




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