Buchkritik -- Hans Magnus Enzensberger -- Sanftes Monster Brüssel

Umschlagfoto  -- Buchkritik  --  Hans Magnus Enzensberger  --  Sanftes Monster Brüssel Die EU sieht sich gern im Rang einer Weltmacht und ihre führenden Eliten und Beamte geben sich gern als Vollstrecker einer zentralstaatlich anmutenden Direktive mit dem Ziel, Millionen von Menschen ungeachtet ihrer individuellen Bedürfnisse und Wünsche, ihrer gelebten Verschiedenheit, zu homogenisieren. Kritiker dieses irrwitzigen politischen Menschenversuchs werden gern in die nationalistische Ecke, sprich als Anhänger einer längst vergangene Epoche gebrandmarkt. Bei Bedarf wird auch gern die Karte des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit gezogen, wenn der artikulierte Bürgerwille den Bestrebungen der selbstherrlich waltenden EU-Ideologie widerspricht.

Einer, der weder den Ruf eines Rassisten noch den eines Reaktionärs besitzt, gleichwohl aber ein dezidierter Kritiker europäischen Größenwahns ist, meldet sich mit einem kleinen Band zu Wort und empört sich über die schleichende Erosion demokratischer Errungenschaften in Europa. Hans-Magnus Enzensberger legt in seinem politischen Essay Sanftes Monster Brüssel oder die Entmündigung Europas den Finger auf die vielen Wunden - die EU-Eliten würden von Errungenschaften sprechen - die der Demokratie bereits großen Schaden zugefügt haben. Bürgerferne, Selbstherrlichkeit und Ignoranz gegenüber gewachsenen historischen Tatsachen sind nur einige der Vorwürfe gegen Brüssel. Regelungswut und ein mehr als fragwürdiges Verhältnis zu demokratischen Spielregeln sind darüber hinaus das Kennzeichen der von der Wirklichkeit anscheinend nicht berührten EU-Bürokraten.

Wer Europa will, der muss es gegen die diese Europäische Union schützen, so die knappe aber eindringliche Botschaft an den Leser. Nun ist Enzensberger ein Mann der leisen Töne und seine Darstellungen bieten für den politisch Interessierten nichts wesentlich Neues und doch ist sein Essay die zusammenfassende Zustandsbeschreibung einer selbst ernannten Elite, die sich längst von den Interessen der Bürger abgehoben hat, und die gerade aus diesem fatalen und falschen Bewusstsein heraus meint, unangreifbar und, viel schlimmer noch, unfehlbar zu sein.

Die Entmündigung der europäischen Bürger geschieht auf vielen Ebenen. Ob es die Brüsseler Entscheidungen zu Toilettenpapier, Glühbirnen, Präservativen oder Gurken - die Liste lässt sich beliebig verlängern - sind, jede einzelne hat den Charakter von Parolen einer Erziehungsanstalt, die den kleinen und dummen Schutzbefohlenen den richtigen Weg weisen sollen. Dass aus dieser Einrichtung längst ein Tollhaus geworden ist, scheint die EU-Bürokraten und ihre Politiker nicht zu stören. Im Gegenteil. Je mehr sich die Bürger dagegen die Fremdbestimmung verwahren, desto größer, rigider und besessener wird der Regelungswahn. Es spricht Bände, dass in jedem Land, dessen Bürger über die Zustimmung zum EU-Beitritt abstimmen durften, bei der ersten Wahl ein klares Nein das Ergebnis war. Doch die EU wäre nicht die Institution, die sie ist, wenn sie diese Ergebnisse akzeptiert hätte. Es wurde so lange abgestimmt, bis das erwünschte Votum herauskam. Das ist Demokratie, so wie sie in Brüssel verstanden wird.

Der Versuch Millionen von Menschen in die Schablone der Gleichartigkeit zu zwingen, muss scheitern. Hans-Magnus Enzensberger beschreibt in seinem Essay, warum das zwangsläufig der Fall sein wird.




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