Buchkritik -- Ulrich Grober -- Die Entdeckung der Nachhaltigkeit

Umschlagfoto  -- Ulrich Grober  --  Die Entdeckung der Nachhaltigkeit Von Zeit zu Zeit tauchen Modewörter auf, die, ihrer eigentlichen Bedeutung entrissen, zu heil- und sinnstiftenden Verheißungen mutieren. Aktuell liegt dieser Fall bei dem Begriff der "Nachhaltigkeit" vor. Ursprünglich im Jahr 1713 von Hans Carl von Carlowitz in seinem Buch Sylvicultura oeconomica - Anweisung zur wilden Baumzucht eingeführt und als forstmännische Anweisung zu rücksichtsvollem und das Wohl kommender Generationen im Auge behaltender Waldnutzung eingeführt, feiert heute in vielen Facetten eine bedeutungsleere Inflation. Die Rede ist z. B. von nachhaltiger Politik, nachhaltigen Gewinnerwartungen, nachhaltigen Humanressourcen, etc.

Ulrich Grober ist in seinem Buch Die Entdeckung der Nachhaltigkeit - Kulturgeschichte eines Begriffs dem Ursprung und der Entwicklung dieses Wortes nachgegangen. Entgegen landläufiger Meinung im Feuilleton und in politischen Reden ist "Nachhaltigkeit" keine Erfindung der Moderne. In jeder historischen Epoche war es das Bemühen der Menschen eine Lösung in seinem Umgang mit den ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen und seinen vitalen Lebensinteressen zu finden. Dem Holz, bzw. den Wäldern kam dabei seit je her eine wesentliche Bedeutung zu. Holz zum Bau von Flotten, Häusern, zum Kochen der Nahrung und als Heizmittel stand in den Zeiten im Mittelpunkt des Interesses, die noch keine fossilen Brennstoffe kannten.

Das ausgewogene Verhältnis zwischen Holzschlag und Aufforstung war ein elementares Bedürfnis zu jeder Zeit. Der Mensch, zumindest seit er von einem Sammler und Jäger zu einem sesshaften, Ackerbau und Viehzucht betreibenden Homo sapiens geworden ist, hat seine Umwelt immer verändert. Die Natur hatte nicht den Charakter einer Idylle, die ihr in Deutschland erst von den Romantikern zugeschrieben wurde, sondern war nicht zuletzt feindlich und musste vom Menschen erst gebändigt werden.

Bereits hier liegen die von Ulrich Grober angesprochenen philosophischen Unterschiede in der Auffassung von Natur. Zum einen ist da Descartes, für den es die Aufgabe des Menschen ist, sich die Natur zu unterwerfen, zum anderen ist da die Auffassung Spinozas, der lebenden, von Gott durchdrungenen Natur. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich noch die aktuelle Diskussion über den Umgang mit den natürlichen Ressourcen.

Wenn der Autor, ausgehend von seiner Geschichte des Begriffs der Nachhaltigkeit einen schonenderen Umgang mit der Natur einfordert - damit liegt er auf einer Linie mit der UNO, der EU und sämtlichen Klimakonferenzen - so drücken er und andere Aktivisten sich jedoch vor der Beantwortung einer nicht weniger wichtigen Frage. Es geht nicht allein um die gerechte Verteilung von Ressourcen und eine "gute" Lebensqualität für alle Menschen auf der Welt, sondern darum, ob die Mittel, welche "Mutter Erde" auch bei nachhaltiger Wirtschaft und Planung hergibt, für alle Menschen ausreichend vorhanden sind. Die steigenden Geburtenraten in zahlreichen Regionen der Erde sprechen eine andere, brutalere Sprache.

Die Entdeckung der Nachhaltigkeit ist die eine Seite der globalen Medaille. Dieser hat sich Ulrich Grober detailliert angenommen. Die andere Seite jedoch, die zweifelsohne soziale und politische Sprengkraft besitzt, kommt leider zu kurz. UNO Resolutionen und Manifeste zur Verbesserung der Welt sind wenig hilfreich, wenn es z. B. darum geht, wie verhindert werden kann und muss, dass die ehemaligen Schwellenländer wie Indien und China den gleichen ökologischen Irrtümer und Fehlwegen unterliegen, wie die westlich-kapitalistische Welt.

Mit welchen politischen Mitteln werden die ehemaligen Industrienationen zu einem dringend gebotenen Umdenken ihrer bisherigen Lebensweise gebracht werden? Wird es eine Ökodiktatur sein, wie sie bereits jetzt in vielen Studien von Forschern gefordert wird? Kann dieses Umdenken auf freiwilliger Basis geschehen? Werden sich die bislang vom globalen Wohlstand gemiedenen Länder auf solch eine Politik einlassen, oder werden sie vornehmlich das Wohl und den berechtigten Eigennutz ihrer Völker in den Vordergrund stellen? Die Aussichten für eine globale Ausrichtung von nachhaltigem Umgang mit den vorhandenen aber zur Neige gehenden Ressourcen sind nicht gut.




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