Buchkritik -- Lars Gustafsson -- Doktor Wassers Rezept

Umschlagfoto, Lars Gustafsson, Doktor Wassers Rezept, InKulturA Literatur ist nicht zuletzt der Versuch, fiktive Personen eine Geschichte erzählen zu lassen, von der der Autor glaubt und hofft, dass sie das Interesse des Lesenden weckt und dessen Neugier befriedigt. Das funktioniert leider, wie im Fall des mit 144 Seiten sehr knappen Romans "Doktor Wassers Rezept" von Lars Gustafsson nicht immer.

Sein Protagonist erzählt, gerade achtzig geworden, die Geschichte seines Lebens. Nein, nicht die ganze Geschichte, sondern nur ein paar Episoden, die, von Autor seltsam zusammenhanglos geschrieben, einen mäßig begabten Kent Andersson schildern, der durch Zufall die Identität eines aus der DDR geflohenen Arztes annimmt. Fortan nennt er sich Dr. Kurth Wasser und reüssiert als Schwedens bekanntester Schlafforscher.

"Ich bin ein Gewinner", so die Selbstdarstellung des auf sein Leben Rückblickenden. Der erzählt, immer wieder bruchstückhaft und etwas nebulös auf der Zeitachse herumspringend, von einer Existenz, die seltsam farb- und konturlos erscheint und doch, nimmt man den opportunistischen Ich-Erzähler ernst, es nur wegen der Rezepte des Doktor Kurth W. Wasser zu beruflichem Erfolg und intensiven Kontakten zum weiblichen Geschlecht gebracht hat.

Freilich wird der Leser, der sich auf die Suche nach dem magischen und scheinbar lebensverlängernden Rezept macht, arg enttäuscht werden, denn dieses taucht an keiner Stelle auf. Lars Gustafsson spielt zwar halbwegs geschickt mit der Frage, ob, hätten wir einen "Moment der absoluten Freiheit", ein anderes Leben wählen könnten, doch sein Protagonist Andersson/Wasser ist in Wahrheit ein Spielball des Zufalls.

Der Leser erhält den Eindruck, als wenn es Gustafsson weniger um eine stringent erzählte Geschichte geht, sondern eher um bruchstückhafte Facetten eines Lebens, das im Wesentlichen von anderen bestimmt wird. So löst sich vielleicht auch das Rätsel um "Doktor Wassers Rezept". Es gibt ihn nicht, diesen "Moment der absoluten Freiheit". Wir sind gezwungen, der zu sein, der wir von Geburt an waren. Wir können zwar eine andere Identität annehmen, doch wir bleiben immer derselbe.




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Veröffentlicht am 13. März 2016