Buchkritik -- Jared Diamond -- Kollaps

Umschlagfoto  -- Jared Diamond  --  Kollaps Auf die Frage, warum manche Kulturen untergegangen sind und aus welchen Gründen andere überlebt haben, gab bislang nur die Geschichtswissenschaft Auskunft. Jetzt hat der Physiologe und Evolutionsbiologe Jared Diamond zu diesem Thema ebenfalls ein Buch veröffentlicht. In Kollaps stellt er seine Sicht der Dinge dar. Primär ökologische Um- bzw. Mißstände führten stets zum Scheitern eines spezifischen Kulturvolkes.

In seinem voluminösen Werk mit über 700 Seiten zeigt er Beispiele des Scheiterns aus der Vergangenheit, so z. B. die Bevölkerungskatastrophe der Osterinsel, die Maya und auch den Versuch der Wikinger, Grönland zu besiedeln. Seine Gegenwartsanalysen betreffen den Völkermord in Ruanda, den unterschiedlichen Besiedlungserfolg der Insel Hispaniola im Westen (Haiti) und Osten (Dominikanische Republik), sowie natürlich die aktuellen Entwicklungen in China und Australien.

Dabei wiederholt er zum Leidwesen des Lesers gebetsmühlenartig fünf Gründe, die seiner Meinung nach für das Scheitern der Gesellschaften verantwortlich sind: Klimaveränderung, Umweltschädigung, feindlich gesinnte Nachbarn, fehlende Handelspartner und zum Schluß die Reaktion der jeweiligen Gesellschaften auf ihre Umweltprobleme.

Kann man seine fünf Gründe im Fall des Scheiterns auf den Osterinseln und der Bevölkerungskatastrophe im Reich der Maya noch nachvollziehen, so wird es doch im Fall der Wikinger schon bedeutend schwerer, zumal Diamond hier selber zugibt, daß es seine Zweifel daran hat, ob es überhaupt hätte gelingen können, sich hier dem Klimawandel erfolgreich entgegen zu stellen.

Problematisch werden seine Aussagen aber auf jeden Fall beim Völkermord in Ruanda. Diesen ausschließlich auf ökologische Fakten zu begründen ist mehr als unseriös. Gesellschaften sind weitaus komplexer aufgebaut, als daß man ihr Scheitern primär auf umweltbedingte Transformationen zurückführen kann.

Gerade bei der Argumentation im Fall Ruandas zeigen sich die Schwächen dieses Buches deutlich. Den manchmal etwas langatmigen Schilderungen des Scheiterns bereits untergegangener Völker stehen kurze Analysen dessen gegenüber, was die aktuellen Situationen in Nationen der Gegenwart betrifft. Die Umweltprobleme Chinas und Australiens werden zwar analysiert, die Ergebnisse sind jedoch beileibe nichts neues.

Zudem stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll sein kann, Gesellschaften miteinander zu vergleichen, die in der Komplexität ihres Aufbaus nichts miteinander gemeinsam haben. Die Kultur auf den Osterinseln mit der z. B. Chinas zu vergleichen und im Anschluss daran Analogien zu ziehen, ist doch mehr als zweifelhaft.

Jared Diamond ist zweifelsohne ein charmanter Plauderer und abgesehen von den zahlreichen Wiederholungen lässt sich sein Buch zügig und durchaus mit Gewinn lesen. Seine Thesen jedoch, die er ausschließlich ökologisch begründet, helfen leider nicht viel dabei, das Scheitern von Kulturen und Gesellschaften zu erklären. Wirtschaftliche und politische Faktoren spielen dabei eine ungleich größere Rolle.

Das alte Griechenland ist nicht am Abholzen seiner Wälder zugrunde gegangen, sondern mußte dem Expansionsdruck einer neuen Macht, nämlich Rom weichen. Das Römische Reich zerbrach nicht, weil sich das Klima veränderte, sondern weil es aufgrund seiner Ausdehnung politisch instabil wurde. Solche Beispiele politischen und wirtschaftlichen Scheitern lassen sich in der Geschichte jedenfalls häufiger finden, als das Scheitern aus ökologischen Gründen.

Leider wird das Buch seinem Untertitel, warum Gesellschaften überleben oder untergehen nur bedingt gerecht.




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