Buchkritik -- Manfred Geier -- Die kleinen Dinge der Philosophen

Umschlagfoto  -- Manfred Geier  --  Die kleinen Dinge der  Philosophen Philosophische Ideen und Gedanken haben, auch wenn sie selber in noch so hohen und abstrakten Dimensionen angesiedelt sind, ihren Auslöser immer noch im realen Leben. Niemand gelingt es, losgelöst von der ihn umgebenden Realität eine neue Gedankenwelt zu erschaffen. Das gemeinsame Fundament bildet auf alle Fälle die Sprache.

Manfred Geier ist in seinem Buch der Frage nachgegangen, wo die Gründe für das philosophieren liegen. Er untersucht anhand der jeweiligen Biographie der Philosophen den Zusammenhang mit ihren Theorien. All das wird von ihm auf so gar nicht philosophische Art abgehandelt. Auf diese Weise wird sogar die Intention von so verwirrten Geistern wie Ludwig Wittgenstein zumindest annähernd deutlich.

Anfang des 20. Jahrhunderts befand sich die Philosophie in einer Sackgasse. Die Zeit der großen, in sich geschlossenen philosophischen Systeme wie sie noch von Hegel dargestellt wurden, schien vorbei zu sein. Die Schrecken des 1. Weltkriegs machten die Menschen stumm vor Entsetzen. Dies ging natürlich auch an den Philosophen nicht spurlos vorbei. Die Erkenntnis, das alle philosophischen Systeme bei der Erklärung der Welt versagt hatten, das alle ethischen und moralischen Implikationen nicht vermocht haben, die kriegerischen Auseinandersetzungen zu vermeiden, war niederschmetternd.

Es mußte also ein neuer Weg des philosophierens gesucht werden. Man fand ihn letztlich in der Sprachkritik Wittgensteins und in den logisch-abstrakten Dimensionen Carnaps. Es war der Zeitpunkt, an dem die Philosophie es aufgegeben hatte, nach der oder den Wahrheiten zu suchen und sich mit hermeneutisch-logischer Sprachkritik zufrieden gab. Der destruktive Konstruktivismus eines Carnap und die Sprachlosigkeit eines Wittgenstein klingen bis in die heutige Zeit nach.

Die Intention der Philosophen war es von fortan nur noch, Sprache zu analysieren um mit dessen, was sie ausdrückt immer die Richtige Bezeichnung zu finden. Denn, so ihr Credo, nur von dem, worüber wir eindeutige Begriffe haben, können wir uns verständigen. Wie Wittgenstein es einmal ausgedrückt hat: "Worüber man nicht mehr reden kann, muß man schweigen".

Das Ergebnis war eine babylonische Begriffsverwirrung, denn über die einfachsten Dinge ließ sich nun trefflich streiten. Was ist ein Baum? Ist es überhaupt ein Baum? Können wir einen Baum erkennen? Diese und andere erkenntnistheoretische Fragen bestimmten das philosophische Alltagsgeschäft. Fragen nach dem gesellschaftlichen Zusammenhang zwischen philosophischen Theorien und der Realität wurden ausgeblendet. Eine Tatsache, von der sich die Philosophie bis heute nicht wieder erholt hat.

Manfred Geier ist es gelungen zu zeigen, in welche Richtungen die Philosophie des frühen 20. Jahrhunderts gegangen ist. Kurz, aber prägnant fasst er die Quintessenz dessen zusammen, was einen bedeutenden Teil der deutschen Philosophiegeschichte ausmacht. Für den Leser, der nicht mit diesen Denkern vertraut ist, stellt dieses Buch eine sehr gute Einstiegsmöglichkeit dar. Zugleich ist dieses Buch jedoch auch ein, von Autor aber nicht bezweckter, Nachweis darüber, in welche Abgründe sich der menschliche Geist bei seinen Bemühungen die Realität aussen vor zu lassen und sich ausschließlich auf den Elfenbeinturm der sog. Erkenntnistheorie zurückzuziehen, begeben kann. Was zu damaligen Zeiten als ungeheurer philosophisch-wissenschaftlicher Fortschritt gefeiert wurde, war in Wirklichkeit ein Scheitern der Philosophie an der Realität.




Meine Bewertung:Bewertung