Buchkritik -- Elk von Lyck -- Die Fischnetz-Theorie

Umschlagfoto  -- Elk von Lyck  --  Die Fischnetz-Theorie Nach dem Scheitern der Systemphilosophie fristet "die Liebe zur Weisheit" im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert ein trauriges Dasein. Die monolithisch daher kommenden Weltdeutungsversuche sind misslungen und wurden in einem blutigen Jahrhundert zu Grabe getragen. Übrig geblieben ist eine Nischenwissenschaft, die sich zwar noch Philosophie nennt, deren Orientierungslosigkeit sich aber hinter einer immer schnelleren Abfolge von beliebigen "...ismen" versteckt und aktuell nur noch hermeneutischen Charakter besitzt. Von den sog. Fachphilosophen, die überwiegend an den Universitäten ihr (Un)wesen treiben, ist keine Rettung zu erwarten.

Hoffnung kommt aus einer gänzlich unerwarteten Richtung. Die Renaissance der Philosophie wird betrieben von Teilchenphysikern, Quanten- und Stringtheoretikern, von Naturwissenschaftlern, die sich mit den kleinsten und mit den größten Dingen beschäftigen. Hier finden Denkprozesse statt, die unmittelbar auf die Verwobenheit des Menschen mit seiner Umgebung, nicht nur seiner sozialen, reflektieren.

Elk von Lyck ist einer dieser neuen, man ist versucht zu sagen Quantenphilosophen, die sich mit den Konsequenzen aktueller Wissenschaftsergebnisse auf die Stellung des Menschen in Bezug auf das Universum beschäftigen. Dabei scheut er keinen Tabubruch. So muss seine zentrale Aussage, dass es keine erkenntnisbasierte Vernunft gibt, auf den elfenbeinturmbasierten Universitätsphilosophen wie eine Ohrfeige wirken.

In seinem, inzwischen in der dritten Auflage erschienenen Buch Die Fischnetz-Theorie legt er eine neue Sichtweise auf den Gang, bzw. den Kreis des Lebens vor. Da die Vernunft als Basis negiert wurde, wer die Geschichte kennt, kommt nicht umhin ihm beizupflichten, muss ein anderes Movens gesucht werden, um die (Irr)Wege der Menschheit zu erklären. Dieses Andere findet Lyck in den Gefühlen, oder wie der Autor sie bezeichnet, den Emos. Diese Emos decken das gesamte Feld menschlicher Reaktionen ab. Sie sind nicht nur individuell wirksam, sondern besonders nachhaltig auf kollektiver Ebene. Kriege, Rassenwahn, religiöser Fanatismus, etc. sind Ausdruck von (verletzten) Gefühlen.

Wie ist es möglich, diesem Teufelskreis zu entrinnen? Zur Beantwortung dieser Frage zieht der Autor die Ergebnisse der Kosmologie und der Quantentheorie zu Rat und entwirft ein philosophisches Weltbild, das vollkommen von dem abweicht, welches bislang als Grundlage menschlicher Existenz vorausgesetzt worden ist.

Zeit, Raum und Materie sind Illusionen. Aus diesem Grund gibt es keine Trennung, kein Gut und Böse, kein Wahr und Falsch. Anstelle dessen existiert die Einheit, eine Allverwobenheit von Allen mit allem. Die Dinge, alles Existierende, kommunizieren mit Hilfe einer, freilich noch genauer zu erklärenden, Lyckwelle. Das Leben und hierunter versteht der Autor die Gesamtheit der Dinge, ist ein ewiger Prozess und kein Kampf. Da es keine Trennung gibt, kann es auch keinen Fortschritt geben. Alles ist bereits vorhanden und muss nur noch entdeckt werden.

Welche Rolle spielt jetzt aber der Mensch? Er ist und wieder bricht Lyck mit einer lieb gewordenen Vorstellung kein primus inter pares, sondern ein Teil des Ganzen, freilich ausgerüstet mit der Fähigkeit Erfahrungen zu machen. Diese Erfahrungen sind es, die ein kosmisches Gewebe, das Fischnetz, bilden. Je mehr Erfahrungen, desto enger die Maschen und aufgrund dessen eine umfassendere Verwobenheit mit dem Universum.

Ist Die Fischnetz-Theorie Utopie oder Fantasy? Blickt man in der menschlichen Geschichte rückwärts, dann werden wir Zeugen eines oftmaligen Scheiterns von Vernunft. Blickt man in derselben Geschichte vorwärts, dann droht bei einem fehlenden Paradigmenwechsel dasselbe. Es ist an der Zeit, sich über diesen anstehenden Wechsel Gedanken zu machen. Elk von Lyck hat es bereits getan und ist zu einigen nachdenkenswerten Thesen gelangt.

Hegels "Weltgeist", der von einem Ziel und Zweck der Geschichte träumt und der aktuell leider vielfach seine Auferstehung feiert, hat Elk von Lyck jedenfalls wieder dahin gebracht, wo er eigentlich auch hingehört: In das Grab der philosophischen Hybris. Das ist in der Tat kein schlechtes Ergebnis.

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