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Die Handlung von „Nuklear‟ entfaltet sich in einer nahezu greifbaren Zukunft, in der Deutschland von einer versteckten Invasion heimgesucht wird. Flüchtlinge und Asylsuchende kommen scheinbar unauffällig ins Land, doch in Wahrheit verbirgt sich unter ihnen eine Armee von Schläfern. Diese Männer sind vor vielen Jahren von einer geheim operierenden Schattentruppe rekrutiert, militärisch ausgebildet und mit korrekten Papieren und Lebensläufen ausgestattet worden und deren einziges Ziel ist die Destabilisierung Deutschlands. Geduldig warten sie darauf, dass das Signal zum Angriff gegeben wird. Mehrere unabhängig voneinander operierende Zellen beginnen dann mit koordinierten Anschlägen auf die kritische Infrastruktur. Energieversorgungsnetze, Straßen- und Flugrouten, sogar Eisenbahnlinien werden gezielt sabotiert. Plötzlich geht das Licht aus, Kraftwerke werdeen lahmgelegt und in voller Fahrt fahrende Züge entgleisen, die Folgen sind verheerend. Tausende Tote und Verletzte. Der Leser sieht dabei zu, wie ganz Deutschland paralysiert in den Ausnahmezustand gerät. Man ruft den Verteidigungsfall aus und bemüht sich erfolglos, die Drahtzieher zu identifizieren. Der Klappentext bringt diesen Albtraum auf den Punkt. „Der Angriff kommt unvorbereitet. Er kommt von innen. Ein Angriff auf Deutschland und seine Demokratie“.
Schon zu Beginn des Romans wird klar, dass es sich nicht um ein eindimensionales „Gut gegen Böse“ handelt, sondern um ein vielschichtiges Polit-Drama. Die Erzählung springt zwischen verschiedenen Schauplätzen und Zeitebenen. Im Prolog, ein historischer Rückblick in die 1960er Jahre, wird gezeigt, wie die alten Mächte, etwa Politgrößen wie Adenauer und Strauß, über Atomwaffen und deutsche Sicherheitskonzepte stritten. Dieser Exkurs signalisiert: Die Saat für gegenwärtige Bedrohungen wurde längst gelegt. Später geht die Handlung zu Brennpunkten unserer Zeit über, ein syrischer Kriegsschauplatz etwa, wo ein junger Offizier namens Ibrahim von russischen Elitesoldaten rekrutiert wird, ebenso wie eine Waldhütte im Donbass, in der er erbarmungslose Prüfungen durchlebt. Schon hier wird dem Leser klar, dass hinter den Schläferzellen eine Schattenmacht steckt, deren Einflusssphären weit über Deutschland hinausreichen.
Bernhard versteht es meisterhaft, den Spannungsbogen kontinuierlich zu steigern. Anfangs ist der Anschlag kaum mehr als eine beunruhigende Ahnung im Unterton. Man spürt, dass etwas im Verborgenen brodelt. Schritt für Schritt eskalieren die Ereignisse. Der Roman kombiniert klassische Thriller-Elemente, wie unerwartete Wendungen und rasantes Tempo mit den düsteren Details moderner Kriegsführung. Technologische Elemente wie Cyberangriffe, Drohnenüberwachung und nukleare Drohkulissen verleihen der Geschichte eine beklemmende Aktualität. So kommt es etwa zu massiven Hackerattacken auf Kraftwerke. Diese Schilderungen wirken so beklemmend realistisch, dass man immer wieder an tatsächliche Nachrichtenmeldungen denkt.
Gleichzeitig zeichnet Bernhard ein globales Schreckensszenario. Die alten Bündnisse sind Geschichte. Die USA haben sich von Europa abgewandt und bereiten sich auf einen Konflikt mit China vor. In diesem Vakuum finden die Schläferzellen freie Hand, während Politik und Behörden fassungslos zusehen müssen. Genau dieses Gefühl des Machtverlusts, dieses lähmende Entsetzen treibt den Leser weiter. Der Roman wird damit selbst zu einem Spiegel unserer Gegenwart. Er spielt mit der Angst vor politischer Ignoranz und Bequemlichkeit, die seit Jahren Warnungen ignoriert hat. Dass die Bedrohung direkt aus einem alltäglichen Hintergrund heraus erfolgt, verleiht der Geschichte eine besondere Dringlichkeit und befeuert die Leseaufmerksamkeit stetig.
Im Zentrum steht mit Henning Wolf ein Mitarbeiter aus dem Bundeskanzleramt. Wolf ist kompromisslos, leidenschaftlich und innerlich hin- und hergerissen zwischen Loyalität und Gewissenskonflikten. Er spürt als einer der Ersten die Gefahr, doch seine Warnungen verhallen im politischen Dickicht. Diese Protagonisten sind glaubwürdig gezeichnet; Wolf etwa kämpft mit Zweifeln und persönlicher Verantwortung, so dass man ihm bereitwillig folgt. Neben ihnen tauchen auch kleinere Figuren auf, zum Beispiel Einsatzkräfte aus Polizei und Militär, deren hektische Reaktionen die Szenen lebendig machen.
Zahlreiche Parallelstränge, in Syrien, Russland, Deutschland, verweben sich zu einem dichten Teppich, der den Plot trägt. Oft wechselt die Perspektive. Ein Kapitel zeigt den Konflikt in einem Krisengebiet im Nahen Osten, das nächste die hitzige Telefonkonferenz von Verteidigungsministern. Diese schnellen Szenenwechsel halten das Tempo hoch und verdeutlichen, wie vernetzt und anfällig unsere Welt ist. Wer sich erinnert, erkennt in vielen Details authentische Anleihen. Sanktionspolitik, NATO-Debatten, die Rolle von Geheimdiensten, all das fließt sachkundig mit ein.
Thematisch umspannt der Roman nicht nur Terrorismus und Hybride Kriegsführung, sondern auch Gesellschaftsfragen wie die Flüchtlingspolitik. Indem die Terroristen ausgerechnet unter Asylsuchenden verborgen sind, thematisiert Bernhard die Angst vor „dem Fremden“ und spielt damit auf reale Ängste in der Bevölkerung an. Dabei bleibt die Erzählung aber ausgewogen; sie nutzt das Motiv weniger, um politische Parolen zu verteidigen, als um zu zeigen, wie clever sich Bedrohungen in demokratischen Freiheiten verbergen können. Insgesamt ist „Nuklear‟ vor allem ein Weckruf. Es erinnert daran, dass auch demokratische Staaten verletzlich sind, wenn innere Unsicherheiten gnadenlos ausgenutzt werden.
Sprachlich überzeugt der Thriller mit einer klaren, direkten Erzählweise. Bernhard schreibt in einem nüchternen, journalistisch-harten Ton, der den technischen und politischen Inhalt eindrucksvoll trägt, ohne jemals zu trocken zu wirken. Auch komplexe Abläufe erklärt er so anschaulich, dass Laien folgen können. Dabei behält er stets das Tempo bei. Kurze Kapitel mit Datums- und Ortseinblendungen sorgen dafür, dass man den Überblick nie verliert und das Gelesene sofort zu Bild oder Filmsequenz im Kopf wird.
Die Recherche hinter „Nuklear‟ ist tiefgehend. Viele Details wirken, als kämen sie direkt aus Geheimdienst- und Militärhandbüchern. Fachbegriffe aus BMVg-Protokollen, taktische Erläuterungen zu Drohnen oder Hinweise auf reale politische Ereignisse, all das verleiht dem Roman ein hohes Maß an Authentizität. Tatsächlich fühlt man sich oft an einen spannenden Nachrichtenticker erinnert, bei dem man gleichzeitig zusehen darf, wie die Katastrophe ihren Lauf nimmt. Diese gut informierte Basis ist eine große Stärke. Sie lässt den Thriller wie eine mögliche Zukunftsvision erscheinen, nicht wie unglaubwürdige Phantasterei.
Die Atmosphäre des Romans ist durchweg düster und spannungsgeladen. Über jedem Satz steht die Bedrohung; die Angst vor Kontrollverlust pulsiert durch jede Szene. Bernhard verliert sich dabei jedoch nie in billiger Panikmache. Statt Effekthascherei baut er die Spannung organisch aus den logischen Konsequenzen der Handlung auf. Wenn etwa eine vermeintliche Sicherheitsmaßnahme schiefgeht oder Desinformationen die öffentliche Debatte vergiften, fühlt sich das eher sachlich und beunruhigend an als effektheischend. Genau diese dosierte Steigerung, von unterschwelligem Misstrauen bis hin zur völligen Paralyse, macht den Sog des Buches aus. Leser bleiben gefesselt, weil die Eskalation so kontrolliert und glaubhaft inszeniert ist.
„Nuklear‟ ist ein fesselnder Polit-Thriller, der sich nicht nur durch unheimliche Aktualität auszeichnet, sondern auch durch erzählerisches Können. J. F. Bernhard gelingt es, technische Brillanz und Actionsequenzen mit gesellschaftlicher Relevanz zu verbinden, ein Novum im deutschen Thriller-Genre. Trotz der komplexen Themen bleibt das Buch gut lesbar und nie langatmig. Die Leser und Leserinnen bekommen einen atemlos rasant inszenierten Plot, sicherheitspolitisch Interessierte eine detaillierte, plausible Story, und alle zusammen das wohltuende Gefühl, keine seichte Unterhaltungsware, sondern ein anspruchsvolles Werk in Händen zu halten.
Klare Leseempfehlung!
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 23. Juli 2025