Leseprobe -- Wolf Schneider -- Der Mensch*

Copyright © 2008 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Inhalt

1. Wir sind das Problem. Sind wir auch die Lösung? 9

2. Unser unwahrscheinlicher Planet 11

3. Ein lästiger Spätling 18

Die Unterwerfung der Natur

4. Wie sich der Mensch vom Affen trennte 25

5. Der erste Werkzeugmacher 31

Darwin und das «Fräuleinwunder» 38

6. Der Herr des Feuers 40

7. Der Herr der Jagd 47

8. Der Herr des Eises 54

Ahnentafel 62

9. Der Herr der Sprache 64

10. Von Afrika nach Feuerland 73

Die letzte Feuerland-Indianerin 78

11. Der Künstler und der Schlächter 81

12. Der Herr der Tiere 90

13. Der Herr der Felder 95

Immanuel Kant: Ackerbau sät Zwietracht 104

14. Der Herr der Mauern 105

15. Der Herr der Pferde 112

16. Aber die Pest! 118

6 Inhalt

Die Unterwerfung der Menschheit durch die Europäer

17. Portugal und Spanien teilen sich die Erde 125

18. So macht man Kolonien 135

19. So macht man Sklaven 144

20. So betrügt man Indianer 152

21. So nimmt man sich Asien 162

22. So teilt man sich den Rest der Welt 168

23. So zieht man sich zurück 178

24. Und dann noch die drei Pole 182

Die Herrschaft über den Planeten

25. Höhlen wir die Erde aus! 197

«Das Holz ist alle – zurück in den Süden!» 203

26. Seien wir endlich schneller als das Pferd! 205

27. Verkleinern wir die Ozeane! 220

28. Lernen wir endlich fliegen! 230

29. Brieftauben und Morsezeichen 239

30. Gleichzeitig überall 249

Waldheim im Weltraum 258

Unser Hang zum Übermut

31. Viel Spaß und 1.2 Millionen Tote 263

32. Viel Spaß und noch mehr Gedränge 269

33. Viel Spaß – und Fleisch im Überfluss 280

Schopenhauer: Der Teufel der Erde ist der Mensch 286

So weit haben wir’s gebracht

34. Wann fällen wir den letzten Baum? 291

Inhalt 7

35. Wer wandert warum wohin? 299

Wie viele Menschen kann die Erde tragen? 306

36. Wer heizt das Klima auf? 308

Lomborgs Liste 315

37. Wer müllt am meisten? 318

38. Und wer schützt welche Natur? 325

Was uns droht

39. Der Endkampf ums Wasser und ums Öl 337

40. Der Endkampf um die Energie 346

41. Wie wir den Globus «globalisieren» 356

Was Pfarrer Malthus meinte 364

42. Die Kriege von heute 366

43. Die Kriege von morgen 376

Was könnte uns helfen?

44. Pazifismus? 391

Sigmund Freud: Warum Krieg? 398

45. Angeborene Friedfertigkeit? 400

46. Sind wir nicht alle Brüder? 407

47. Könnten wir weniger verschwenden? 420

Von dem Fischer un syner Fru 429

48. Werden wir weniger? 432

Gruhls «Himmelfahrt ins Nichts» 440

49. Wer erklärt uns die Zukunft? 442

50. Wie lange noch? 450

Nachwort 453

8 Inhalt

Zeittafel 454

Literaturverzeichnis 458

Namen- und Sachregister 464

Bildnachweis 495


1 Wir sind das Problem. Sind wir auch die Lösung?
Die Erde ist unser. Alles haben wir bezwungen: Hitze, Kälte, Wüste, Ozeane. Alle haben wir besiegt: Raubtiere, Ungeziefer und Bazillen. Allem trotzen wir: Erdbeben, Wirbelstürmen und Tsunamis. Überall sind wir zugleich: In einer Zehntelsekunde saust unser Wort um die Erde, in 90 Minuten schaffen es die Satelliten, sie weisen uns den Weg hier unten, und wäre es der von Plattling nach Germersheim. Und zuverlässig rieselt der Schmutz chinesischer Kohlekraftwerke auf Kalifornien ebenso wie auf Spitzbergen nieder.

Diese Leistungen des Homo sapiens sind umso erstaunlicher, als die Menschheit, physikalisch betrachtet, immer noch eine Masse von winziger Größe ist. Käme ein rächender Gott auf die Idee, diese Menschheit noch einmal zu bestrafen, diesmal aber nicht mit einer Sintflut, sondern indem er sie komplett in einem See ersäufte, dem Bodensee zum Beispiel – die fast sieben Milliarden Ertrunkenen würden den Seespiegel natürlich heben. Aber nicht sehr viel: um höchstens 50 Zentimeter.

Angefangen hat alles doch bloß damit, dass vor ein paar Millionen Jahren – ein paar Minuten in der Erdgeschichte – ein paar hundert überdurchschnittlich schlaue Affen im Osten Afrikas den Aufschwung zu einer neuen Spezies schafften, einer mehr unter den Millionen Arten, die längst auf der Erde krabbelten; und dass diese Zweibeiner, ohne es ausdrücklich zu wollen, damit begannen, in alle Kontinente auszuschwärmen und sich die Erde untertan zu machen.

10 Wir sind das Problem. Sind wir auch die Lösung? Vor rund 40000 Jahren traten sie ihre Herrschaft über Europa an – erst vor gut 1000 Jahren nahmen sie Neuseeland in Besitz, die letzte bewohnbare Fläche des Planeten. Ein Novum in der Erdgeschichte hatten sie damit vollbracht: Keine andere biologische Art hat sich je in allen Zonen und Winkeln der Erde eingerichtet, in 50 Grad Hitze und 50 Grad Kälte; geschweige denn dabei alle anderen Lebewesen verdrängt, unterworfen oder ausgerottet.

Haben die Menschen inzwischen des Guten ein bisschen viel getan? Sie werden immer mehr und stellen dabei immer unbescheidenere Forderungen. «Die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse », stellte die Umweltorganisation der Vereinten Nationen 2007 fest – und sie hat recht. Wir höhlen die Erde aus, wir pflastern sie zu, wir zertrampeln sie. Noch schlimmer: Es scheint, dass die Völker sich zum Endkampf um die letzten Ressourcen, die letzten freien Räume rüsten.

So sind die meisten Prognosen, wie die Menschheit überleben, ja ob sie überleben kann, schrecklich düster. Noch dazu klingen sie so schlüssig, dass man alle Hoffnung fahren lassen möchte. Der Trost ist aber: Wahrscheinlich sind sie falsch. Die großartige Geschichte, die hier zu erzählen ist, die vom Aufstieg des Homo sapiens aus dem Nichts: Sie wird – vielleicht ein bisschen anders – weitergehen.


2 Unser unwahrscheinlicher Planet
Milliarden, Billionen, Billiarden riesiger Feuerkugeln rasen im Weltall durch ein eisiges Nichts. Dass da auf einer Murmel mittendrin «das Leben» entstehen konnte vor dreieinhalb Milliarden Jahren, dagegen sprach fast alles; noch weniger dafür, dass sich im letzten Tausendstel dieses zähen Lebenskampfes ein so hochnäsiges Wesen wie der Mensch auf der Murmel mausig machen würde: Als Heimstatt für ihn ist sie nur bedingt geeignet, und auf ihn gewartet hatte sie nicht.

Murmeln – mehr sind sie nicht im Weltmaßstab, die kalten und eher kleinen Kugeln, die um das Höllenfeuer einer Sonne kreisen; «Planeten» nennen wir sie. Umrunden sie ihren Mutterstern zu nah, so wird ihre Oberfläche auf 460 Grad geheizt wie die der Venus; drehen sie sich zu weit weg von ihr, so erstarren sie in minus 200 Grad wie der Neptun. Leben, wie wir es kennen, kann in beiden Fällen nicht gedeihen. Auch nicht ohne eine Atmosphäre: Sie dämpft die Temperaturextreme (auf dem Merkur 430 Grad bei Tag, minus 180 Grad bei Nacht), sie schützt vor kosmischen Strahlen, und sie lässt die meisten der Meteore verglühen, die sonst die Erde bombardieren würden: Die von Kratern zerklüftete Oberfläche des Mondes zeigt ja, was einem nackten Himmelskörper in diesem grausamen Universum widerfahren kann.

Vor allen Einschlägen freilich schützt uns die Atmosphäre nicht. Der Riesenmeteor, der vor 65 Millionen Jahren mit 40000 Stundenkilometern auf die mexikanische Halbinsel Yucatán krachte, schleuderte solche Mengen von Staub und Schwefeldioxid in die 12 Unser unwahrscheinlicher Planet Atmosphäre, dass es jahrzehntelang kalt und dunkel wurde auf Erden; für schätzungsweise 60 Prozent aller Tiere bedeutete das den Tod. Vor etwa 15 Millionen Jahren traf es gleich zweimal die Schwäbische Alb: Der eine Einschlagkrater ist das Steinheimer Becken, dreieinhalb Kilometer im Durchmesser, bis 120 Meter tief; der andere das Nördlinger Ries, ein flacher Kessel von mehr als 20 Kilometern Breite, entstanden durch einen Steinbrocken aus dem All, der einen Kilometer dick war, sich 600 Meter tief ins Gestein bohrte und dabei verdampfte.

Vermutlich erst vor 50000 Jahren donnerte ein Meteorit auf Arizona nieder, 15 000 Tonnen schwer: Das ergibt sich aus dem Krater, der 170 Meter tief ist und mit seinem Wall die Umgebung um 50 Meter überragt. Erst 1908 zerbarst ein Meteor in fünf Kilometern Höhe über der Tunguska in Ostsibirien: Er legte 80 Millionen Bäume in der Taiga um, der Explosionsdruck wurde noch in 6000 Kilometern Entfernung registriert. Und was 1994 auf dem Jupiter geschah, hätte auf der Erde vermutlich alles Leben ausgelöscht: Da schlug ein Komet im Gewicht von Milliarden Tonnen mit 22000 Stundenkilometern auf unserm Nachbarn ein, schleuderte riesige Gasblasen heraus und verfärbte seine Oberfläche auf 12 000 Kilometer.

Geht es Planeten anderswo im Weltall besser als denen, die mit uns um die Sonne kreisen? Seit 1995 haben die Astronomen mehr als 250 nichtleuchtende Himmelskörper entdeckt, die sich um eine andere Sonne drehen; die meisten allerdings aus Gas wie unser großer Bruder Jupiter und entweder viel zu heiß, weil sie ihrer Sonne zu nah, oder zu kalt, weil sie ihr zu fern sind. Ob es außer der Erde noch irgendwo im Weltall einen Planeten mit dem richtigen Abstand zu seiner Sonne, mit einer Oberfläche von Stein und Wasser und mit einer Atmosphäre gibt, ist völlig offen und schwer vorstellbar.

Die Wahrscheinlichkeit sinkt noch weiter, wenn wir an die sogenannte Schiefe der Ekliptik denken, die Tatsache also, dass die Erdachse nicht senkrecht zu ihrer Umlaufbahn steht, sondern um 23 Grad gegen sie geneigt ist, nur deshalb haben wir Jahreszeiten. Die Abweichung ist vor Milliarden Jahren vermutlich entstanden, als der Mond mit der Erde zusammenstieß oder von ihr eingefangen wurde – ein ungewöhnlich großer Trabant mit 27 Prozent des Erddurchmessers. Seitdem aber stabilisiert er den einmal hergestellten Neigungswinkel. Ohne ihn würde die Erde taumeln, ihre Achse sich um bis zu 90 Grad verschieben im Lauf von Millionen Jahren – aber eben solche Zeiträume von Stabilität waren ja nötig, damit das höhere Leben sich entfalten konnte.

Auch ohne den Jupiter, den Riesenplaneten mit der 300fachen Masse der Erde, hätte höheres Leben nicht entstehen können, sagen die amerikanischen Wissenschaftler Donald Brownlee und Peter Ward: Er schirmt die Außengrenzen des Sonnensystems gegen verirrte Meteore ab, indem er sie mit seiner Masse einfängt. Andernfalls würde eine Katastrophe wie die von Yucatán die Erde nicht alle paar Millionen Jahre, sondern alle paar tausend Jahre heimsuchen.

Dies alles zusammengenommen, scheint das Fazit klar: Dass wir im Weltall Brüder hätten, ist der Gipfel aller Unwahrscheinlichkeit. Was freilich, schwierigerweise, zweierlei bedeutet:

1. Es ist überhaupt kein Grad von Unwahrscheinlichkeit vorstellbar, der sich nicht durch die Milliarden von Galaxien mit jeweils Milliarden von Sternen, die die Astronomen schon entdeckt haben, in eine theoretische Wahrscheinlichkeit verwandelte. Die Chance wäre nur 1: 10 Billionen? Bitte sehr, die haben wir leicht. Höheres Leben auf anderen Planeten ist also durchaus möglich – zumal wenn wir die Trilliarden von Sternen jenseits aller irdischen Teleskope hinzurechnen. 2. Diese theoretische Möglichkeit aber hat praktisch die Bedeutung null. Ob wir im Universum keine Brüder haben oder ob wir nach 14 Unser unwahrscheinlicher Planet einer Reise von 50 Millionen Jahren auf sie stoßen könnten, wenn wir sie fänden: das ist de facto kein Unterschied. Schon zum allernächsten Stern außerhalb des Sonnensystems, der 4,2 Millionen Lichtjahre entfernten Proxima Centauri, wären wir (die Geschwindigkeit der Raumsonde Voyager unterstellt) 34000 Jahre unterwegs, einfache Fahrt.

Es bleibt dabei: Unsere Erde treibt durchs All in unvorstellbarer Einsamkeit.

War sie denn wenigstens für höheres Leben gut gerüstet, damals, vor ein paar Millionen Jahren, als der Mensch sich von den Affen zu emanzipieren begann? Nun: sehr gut nicht. 71 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt, und nur Landtiere haben sich ja zu Primaten entwickelt. Auf der Landfläche breiten sich riesig die Sandwüsten (mit bis zu 58 Grad im Schatten – aber wo wäre der?) und ebenso riesig die Eiswüsten aus, in der Antarktis mit bis zu minus 89 Grad – zweimal zehn Prozent allen Landes, die unbewohnbar sind; dazu noch sieben Prozent Tundra, die Kältesteppe in Sibirien, Lappland, Kanada, Alaska: Gräser, Flechten, Moose, Zwergsträucher auf einem maximal zwei Meter tief aufgetauten Boden. Nimmt man die Taiga hinzu, den spärlichen, sumpfigen sibirischen Nadelwald, und die Trockensteppen oder Halbwüsten (wie in Tibet, Arizona, Patagonien), und karge Felsregionen wie Äthiopien oder Afghanistan – dann bleibt: An die 40 Prozent der Landfläche sind für menschliche Besiedlung nicht oder nur unter höchsten Opfern geeignet; gar nicht gerechnet, dass ein Bayer schon eine Landschaft wie im US-Staat North Dakota als unbewohnbar empfinden würde.

Unsere Ahnen hatten keine Wahl und haben ihre Quartiere hienieden aufgeschlagen – auch dort, wo das Meer halbe Länder verschluckt und Tsunamis ganze Küsten verwüsten; wo ein Strom wie der Hwangho in China seine Mündung schon mehrfach sprunghaft um Hunderte von Kilometern verlagert und dabei Tausende von Menschen ersäuft hat; schließlich sogar in Ostsibirien, wo die Kälte minus 70 Grad erreichen kann. Und am schrecklichsten: wo Erdbeben und Vulkanausbrüche uns schmerzlich signalisieren, dass unsere alte Erde immer noch eine glühend heiße Kugel ist mit einer erschreckend dünnen Kruste.

Die verschob sich beispielsweise 1755 in Lissabon so sehr, dass sie zum Grab von mindestens 30000 Menschen wurde. 1815 schleuderte der Vulkan Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa seine Asche 70 Kilometer hoch; sie machte das Jahr 1816 in weiten Teilen von Europa und Nordamerika zum «Jahr ohne Sommer ». 1883 explodierte die Insel Krakatau bei Sumatra und spie das 8000fache Volumen der Cheops-Pyramide aus dem Erdinneren himmelwärts. 1908 das Erdbeben von Messina, das 90 Prozent der Stadt zerstörte und 84000 Menschen tötete. 1923 schon das fünfte katastrophische Erdbeben in der Geschichte Tokios, 74000 Bewohner kamen um.

Der Mensch neigt ja dazu, sich in der Wahl seines Wohnsitzes von der mehrfachen Vernichtung nicht beeindrucken zu lassen. Pompeji wurde 62 n. Chr. von einem Erdbeben zur Hälfte demoliert, aber die Bewohner blieben, bis 79 n. Chr. der Vesuv die gesamte Stadt unter giftiger Asche begrub. Nicht weiter als Pompeji vom Vesuv entfernt spreizt sich die Riesenstadt Neapel – und hält die Camorra für ihr größtes Problem.

Und wie dünn sie ist, die Kruste, auf der wir – auf die wir bauen! In neun Kilometern Tiefe stieß eine wissenschaftliche Bohrung bei Windischeschenbach in der Oberpfalz 1994 auf Gestein, das 300 Grad heiß und zähflüssig wie Honig war – und was sind neun Kilometer! Ein Siebenhundertstel der Entfernung zum Mittelpunkt der Erde. Auf einer erbärmlich dünnen Haut also errichten wir unsere Dome, Wolkenkratzer und Bausparhäuschen, ja «für die Ewigkeit gebaut» sind die Pyramiden. Woher nehmen wir so viel Vertrauen?

Einerseits natürlich von unserer kuriosen Weigerung, aus Katastrophen zu lernen: Tokio, Messina, Lissabon sind ja heftiger bewohnt denn je. Vor allem aber daher, dass wir, gemessen an den Zeitabständen geologischer Katastrophen, nur Eintagsfliegen sind mit unseren 80 Lebensjahren. Es ist die Kürze unseres Daseins, die uns zu der Illusion verführt, er verspreche uns Beständigkeit – dieser im Inneren kochende Planet, dem nicht etwa die Kruste die annähernde Kugelgestalt bewahrt, sondern die Rotation.

Wollte man einen Globus zu einem wirklich realistischen Modell der Erde machen, so dürfte er natürlich nicht hohl und schon gar nicht aus Pappe sein: Aus Eisen, Nickel, Stein wäre er zu formen, und das hieße, dass er bei einem Meter Durchmesser fast drei Tonnen wöge. Und ein Motor müsste ihn in permanenter Drehung halten, sonst sänke er langsam und zischend zu einem Pfannkuchen zusammen, von Flammen umzüngelt, nach Schwefel stinkend und bis zu 7000 Grad heiß.

So ist er beschaffen, unser Heimatplanet. Hätte ein Immobilienmakler ihn für uns ausgesucht – wir hätten ein paar gute Gründe, uns von ihm betrogen zu fühlen. Umso mehr, als die Erde beim Einzug des Menschen längst ziemlich dicht besiedelt war: von Kröten, Ratten, Wölfen, Kakerlaken, von Mammuts, Wanzen, Säbelzahntigern und mörderischen Viren. Sich gegen diese alle durchzusetzen, war unser erster, unser längster, unser schwierigster Kampf.

Eben darin freilich könnte jene Hinterabsicht liegen, die einem etwaigen allmächtigen Schöpfer zuzutrauen wäre: Nur an Widerständen ist der Mensch gewachsen. Manche haben das gespürt: «Mit der Größe der Aufgaben wächst die Kraft des Geistes», sagte Tacitus, und Schiller: «Es wächst der Mensch mit seinen größeren Zwecken.» Der englische Geschichtsphilosoph Arnold Toynbee hat daraus sein historisches Prinzip abgeleitet: Nur im Wechselspiel von challenge und response, von Schwierigkeiten und ihrer Bewältigung, von Prüfungen und der Kraft, sie zu bestehen – nur so hat der Mensch sich nach oben entwickelt. Wurde nicht Athen auf kümmerlichem Boden errichtet?, fragt Toynbee. War nicht Venedig zunächst ein bloßes Notquartier in den Lagunen? Stieg Preußen nicht zur Großmacht auf aus dem Sand von Brandenburg? Eine Umwelt, die sich spielend meistern ließe, ist der Kultur abträglich.

Im Hinblick auf diese kluge, böse These tut sich eine kühne Hoffnung auf: Könnte unsere jüngst erworbene Fähigkeit, den irdischen Katastrophen die menschengemachten hinzuzufügen, am Ende ebenfalls doch noch das Gute bewirken?


3 Ein lästiger Spätling
Gewartet hatten sie nicht auf uns, die Tiere. Aber vorzüglich fügte sich der Mensch in das Grundgesetz alles animalischen Lebens ein: Nur durch brutalen Angriff oder verzweifelte Flucht kann es sich behaupten. Unseren Ahnen beim Niedermetzeln eines zu Tode gehetzten Wildes zuzusehen, hätten wir schwer ertragen – aber hätten sie nicht gemetzelt, so würden wir nicht leben.

Wann, wie hat das ganze Gewimmel auf Erden begonnen? Es geschah vor etwa viereinhalb Milliarden Jahren, dass interstellare Materie sich zu unserem Planeten ballte, und schon vor dreieinhalb Milliarden Jahren tummelten sich auf ihm die ersten Einzeller, Protozoen, Amöben. Vor etwa 500 Millionen Jahren entstanden im Meer die Wirbeltiere, und erst vor 450 Millionen Jahren bedeckte sich das Land mit Pflanzen, den Spendern von Nährstoff und Sauerstoff für Tiere an Land.

Der dies als Erster nutzte, war der legendäre Quastenflosser: jenes Meerestier mit starken Brust- und Bauchflossen, die es ihm ermöglichten, sich an Land zu schieben und dort herumzukriechen. Das begann vor rund 350 Millionen Jahren. Dieser unser aller Urvater galt als längst ausgestorben – bis 1938 und 1997 zwei Exemplare von ihm im Indischen Ozean gefangen wurden; 200 dieser Überlebenskünstler teilen die Erde mit uns noch heute, schätzen die Ichthyologen.


*Mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Verlags

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