Buchkritik -- Ilana Eimerl -- Rokeach

Umschlagfoto, Buchkritik, Ilana Eimerl, Rokeach, InKulturA Worms im Jahr 1235. Die junge Chaja muss mitansehen, wie Tempelritter ihre Heimatstadt überfallen und ihren Vater töten. Deren Anführer ist Michael Bar le Dac, der, durch einen Überfall landloser Raubritter 1212 auf die Burg der Eltern mittellos und verwaist, von Templern großgezogen wurde und dadurch diesem Orden fanatisch verpflichtet. Er hält sich für auserwählt, den Heiligen Gral zu finden und der Auserkorene zu sein, den Antichrist zu bekämpfen. Chaja, eigentlich Chaja bat Jakob ben Kalonymos und die Enkelin des Rabbiners Eleazar ben Jehuda. Diesen entführt Bar le Dac, um mit Hilfe des Talmudisten und des von ihm geschriebenen Buches "Rokeach" den Gral zu finden.

"Rokeach", 1188 von Eleazar Ben Jehuda Ben Kalonymos, dem Begründer der Zahlenmystik in Deutschland verfasst, ist bis in die Gegenwart das bedeutendste Werk der deutschen Kabbala und der Titel des historischen Romans von Ilana Eimerl. Erzählt wird eine spannende und historisch fundierte Geschichte über Rache und religiösen Fanatismus. Die Autorin nimmt den Leser mit auf die Reise in eine brutale Vergangenheit, die durch Intoleranz und Gewalt geprägt ist.

Nach dem Mord an ihrem Vater verkleidet sich Chaja als Junge und beschließt, sich an Bar le Dac zu rächen. Auf zwei Ebenen verarbeitet Ilana Eimerl historische Fakten und literarische Fiktion. Eine davon ist die des Lebens Michael Bar le Dac, der, eng verbunden mit den Tempelrittern, sich als Nachkomme Jesu Christi betrachtet und mit Hilfe des Buches Rokeach den Gralskelch finden will, um sein, wie er es sieht, vorbestimmtes Schicksal zu erfüllen.

Nebenbei bemerkt, es ist erstaunlich, wie sehr die zwar faszinierenden, jedoch nur bedingt verifizierten Thesen von Michael Baigent und Richard Leigh, Maria Magdalena sei die Ehefrau von Jesus gewesen, die mit ihren Kindern nach Frankreich floh, sich im Languedoc niederließ und dort das Geschlecht der Merowinger gründete, immer wieder, wenn nicht als Grundlage, dann zumindest als literarisches Aperçu historischer Mythen auftauchen. So wären z. B. Dan Browns Romane ohne ihren Bezug auf Baigent und Leigh - inclusive überraschend schnell beigelegtem Rechtsstreit - undenkbar.

Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass "Rokeach" ein absolut überzeugender Roman ist, dessen Leser angesichts der geschilderten und historisch korrekt beschriebenen Gewaltexzesse des Öfteren über starke Nerven verfügen sollten.




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Veröffentlicht am 21. Mai 2016