Buchkritik -- Monika Helfer -- Vati

Umschlagfoto, Buchkritik, Monika Helfer, Vati, InKulturA Familiengeschichten sind oftmals eine Abrechnung der jüngeren mit der älteren Generation. Vorwürfe, Besserwisserei und eine Arroganz, die das Heute gegen ein nicht mehr zu änderndes Gestern aufrechnet, dabei ausblendend, dass Vergangenes andere Bezüge und Einordnungen voraussetzt und die Geschichte(n) ohne Relativierung und Wissen um deren Bedingungen nicht korrekt verortet werden können.

Monika Helfer führt mit „Vati“, dem, salopp ausgedrückt, Nachfolgeroman von „Die Bagage“ ihre Familiengeschichte fort und erzählt ohne Ressentiments und Vorurteile über das Verhältnis zu ihrem Vater und bettet ihre Erinnerungen ein in den Kontext erlebter und erfahrener Geschichte(n).

"Wir sagten Vati. Er wollte es so." So beginnt dieser biographische Rückblick auf Jahre, die nicht unbedingt besser waren. Der Vater, bereits früh ein Freund der Bücher, muss, die große Politik veränderte auch sein Leben, kurz vor der Matura in den Krieg ziehen. Der war zwar bereits verloren, doch was scherte das die Mächtigen und so verlor Vati zwar nicht das Leben, leider jedoch ein Bein. Hatte aber auch etwas Gutes, wenn man so despektierlich denken darf, denn im Hospital lernte er seine Frau, die Mutter der Erzählerin kennen.

Wie bei jeder Rückschau nicht ungewöhnlich, gibt es keinen chronologisch stringenten Blick zurück, sondern mithilfe von Erinnerungsfetzen, Geschehnissen, Gesprächen mit Geschwistern und der Stiefmutter webt die Autorin ein dichtes Netz aus physischem und psychischem Gewebe, das ihr Leben bestimmt hat.

Ohne Sentimentalität und falschem Pathos reiht sie, wie auf einer Perlenschnur, die Kügelchen einer Existenz nach- und miteinander auf und erzeugt dadurch glaubhaft Empathie, die sich in ihrer wunderbar zu lesenden Diktion widerspiegelt. Ein stilles, gleichzeitig jedoch ausdrucksstarkes Buch, dem meine uneingeschränkte Leseempfehlung gilt.




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Veröffentlicht am 22. März 2021