Buchkritik -- Tilman Nagel -- Was ist der Islam?

Umschlagfoto, Buchkritik, Tilman Nagel, Was ist der Islam? , InKulturA „Den (einen) Islam gibt es nicht“, so das Mantra derjenigen, die nicht müde werden zu betonen, dass der Islam eine Religion des Friedens und der (sic) Freiheit ist und die jeden Tag zu konstatierenden Beispiele des Gegenteils nur die religiösen Verirrungen weniger darstellen, die nichts mit dem Islam zu tun haben.

Was aber ist denn nun der Islam? Tilman Nagel beantwortet diese Frage auf knapp 700 Seiten, die sowohl denjenigen, die sich bereits mit dem Koran vertraut gemacht haben als auch denen, die misstrauisch gegenüber der propagandistischen Abwiegelungsrethorik des polit-medialen Mainstreams bezüglich des „Islam ist Frieden“ Mantra profunde Informationen dieser monolithischen Religion, die wie keine andere das menschliche Dasein in allen Belangen reglementiert, liefert.

In zwanzig Kapiteln, nicht immer einfach zu lesen, stellt Nagel die wesentlichen Inhalte und Aussagen dieser Religion vor. Imamat, Kalifat, Sultanat, der Dschihad, Sunniten, Schiiten, Riten, Sufismus, Rationalismus, Salafismus und, besonders interessant für die offiziellen Appeaser der Republik, das Menschenbild des Islam, die Stellung der Nichtmuslime und die Rolle der Frau.

Der Leser ist gut beraten, sich für die Lektüre Zeit zu nehmen, denn der Autor geht methodisch- akribisch vor und untermauert seine Analysen mit einer stringenten Exegese des Korans, das heilige und für alle Zeiten unveränderbare Buch des Islams, des Hadiths, die Überlieferungen der Aussprüche und Handlungen des Propheten Mohammed, deren Authentizität durch eine Kette von sog. Gewährsleuten garantiert wird und der Scharia, das Rechtssystem des Islam. Bezüglich des Korans kann er sich eines Seitenhiebes in Richtung Fachkollegen nicht verkneifen, die, anscheinend in vorauseilendem Unterwerfungsbedürfnis bewusst einzelne Wörter und auch ganze Passagen bei der Übersetzung aus dem Arabischen entschärfen und auf diese Weise das Märchen vom Islam als der Religion der Toleranz produzieren. Wer sich, wie Nagel, der korrekten Translationen bedient, kommt natürlich zu diametral entgegengesetzten Schlüssen.

„Der Islam erhebt den Anspruch, für jeden Menschen die einzig wahre und ewig gültige Beziehung zum Göttlichen zu stiften.“ In diesem Satz von Tilman Nagel liegt in aller Kürze die Quintessenz dessen, was das unverrückbare Fundament dieser Religion ausmacht und deren Unvereinbarkeit mit dem demokratischen Rechtsstaat. Es ist der totale Herrschaftsanspruch, der, bis ins Intimste menschlicher Beziehungen reichend, den Menschen ausschließlich in Bezug auf Allah definiert und der daraus eine polit-religiöse Ideologie formt, deren Ziel es ist, die ganze Welt dem Islam, der einzig wahren Religion zu unterwerfen.

Als historisch letzte der drei großen Buchreligionen erhebt der Islam den Anspruch, gegenüber dem Christen- und Judentum, mit denen der Prophet Mohammed wegen der für ihn fehlerhaften Weiterentwicklungen der gemeinsamen abrahamitischen Urreligion im Lauf seines Lebens brach, die allein gültige zu sein.

Es kann an dieser Stelle nicht auf alle Kapitel im einzelnen eingegangen werden, der Leser findet in ihnen eine umfangreiche, das Thema nahezu abschließende Darstellung des islamischen Glaubens, doch die finale Frage, ob der Islam in seiner derzeitigen Form kompatibel mit dem westlichen Säkularismus, der Demokratie, den Menschenrechten und der individuellen Freiheit ist, muss verneint werden.

Allein die Tatsache, dass der Koran, die Worte Allahs, kundgetan durch den Propheten Mohammed ewige Gültigkeit beansprucht, jede Veränderung, Auslegung oder gar Anpassung an die geistigen Erfordernisse der modernen Welt bereits als Apostasie, als Abfall vom einzig wahren Glauben gilt und, allen übersetzerischen Abwiegelungen zum Trotz mit dem Tod bestraft werden kann und muss – auch im 21. Jahrhundert – beweist einmal mehr die Unvereinbarkeit mit dem westlichen Politik- und Gesellschaftsverständnis. Der Mensch, die Welt und besonders Andersgläubige sind ausschließlich in Beziehung zu Allah und seinem unergründlichen Willen zu verstehen, was besonders für letztere stets Lebensgefahr bedeutet.

Das Buch von Tilman Nagel ist keine Abrechnung mit dem Islam, wie es einige Kritiker behaupten, sondern die nüchterne und faktenorientierte Untersuchung dieser Religion, der sich weltweit über 1,8 Milliarden Menschen zugehörig fühlen. Der Koran, der nach Lesart nicht nur der sog. Fundamentalisten, sondern auch der Mehrheit der Muslime die unverfälschten Worte Allahs sind und damit jede Veränderung, Anpassung oder abweichende Interpretation Gotteslästerung bedeutet, ist die Grundlage einer Religion, die sich immer noch an den Gegebenheiten ihres historischen Ursprungs orientiert. Dass dadurch Konflikte mit dem westlich-säkularen Gesellschaftsverständnis auftreten, die sich, besonders in Deutschland seit dem Herbst 2015 verschärfen, ist evident.




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Veröffentlicht am 13. Januar 2019