Buchkritik -- Nobert Peter -- Mailbox voll, Akku leer. Müssen wir jetzt reden?

Umschlagfoto, Nobert Peter, Mailbox voll, Akku leer, InKulturA Die letzte technische Revolution hat die Welt in einem Ausmaß und einem Tempo verändert, das in der Geschichte der Menschheit bislang unbekannt war. Das digitale Zeitalter, das mit der rasanten Entwicklung der Computertechnologie begann, hinterläßt seine Spuren im täglichen Gebrauch. Nur noch wenige Arbeitsfelder, bei stetig abnehmender Tendenz, kommen ohne die digitale Vernetzung aus. Über keine oder nur wenige Kenntnisse in der Benutzung eines Computers zu verfügen, kann darüber entscheiden, einen Arbeitsplatz zu erlangen oder nicht.

Doch nicht nur das berufliche Umfeld ist ohne Unterstützung durch Bits und Bytes undenkbar geworden, auch das Privatleben wird, mit ebenfalls zunehmender Tendenz, von den manchmal durchaus fragwürdigen Errungenschaften der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten bestimmt.

Soziale Netzwerke ersetzen reale Freunde und in der scheinbaren Anonymität des Internets lassen manche Zeitgenossen sämtliche Hemmungen fallen und betrachten das Web als Tummelplatz zum Ausleben ansonsten in der Gesellschaft tabuisierter Verhaltensweisen.

Norbert Peter hat sich in seinem Buch "Mailbox voll, Akku. Müssen wir jetzt reden?" mit den (Fehl)Entwicklungen der neuen Medien beschäftigt und beschreibt teils ironisch, teils heiter-verzweifelt deren menschliche, all zu menschliche Auswirkungen auf die moderne Gesellschaft.

Wer Kinder hat oder zumindest mit offenen Augen durch die Städte spaziert, kann gerade vor Schulbeginn und nach Schulschluss einem Phänomen begegnen, das eigentlich nachdenklich stimmen sollte. Da lassen sich in schönster Eintracht und gepaart mit einer lebensgefährlich anmutenden Vernachlässigung der Aufmerksamkeit gegenüber den Herausforderungen des Straßenverkehrs ganze Gruppen von Jugendlichen dazu verleiten, lieber auf die Bildschirme ihrer Smartphones zu schauen und dabei den Eindruck erwecken, vollkommen losgelöst zu sein von ihrer Umwelt.

Da treiben sich, immer auf der Suche nach einem virtuellen Freund oder einer ebensolchen Freundin, Erwachsene in virtuellen Chatrooms und sozialen Netzwerken herum und "posten" geradezu verzückt die Zahl ihrer angeblichen "Followers". Da geben sich Männer mittleren Alters als 17-jährige Mädchen aus, um Zugang zur Kommunikation mit Heranwachsenden zu erlangen. Wer sich nicht bewusst gegen den Einfluss der digitalen Medien abschottet, wird überschwemmt mit E-Mails, Sonderangeboten und zweifelhaften Datingangeboten.

Man sollte meinen, dass der mündige und aufgeklärte Bürger - und für einen solchen hält sich doch jeder moderne Mensch - gegenüber den Verlockungen der globalen digitalen Vernetzung kritischer sein würde. Doch, und das zeigt Norbert Peter in seinem Buch, nichts könnte falscher sein als diese Annahme. Mit einer schier unglaubliche Begeisterung stürzen sich die Teilnehmer an der digitalen Verlockung in virtuelle Abenteuer, "chatten" mit angeblichen Frauen oder Männern, deren wahre Identität genau gegenteilig ist, geben private Daten freiwillig preis und laden begeistert die Fotos vom letzten Gruppenbesäufnis ins Netz - und dieses Netz hat ein gutes, ein sehr gutes Gedächtnis und spätestens bei der nächsten Bewerbung für einen gut dotierte und verantwortungsvollen Job schlägt der digitale Bumerang zu.

Nicht nur die freiwillige Auslieferung des Einzelnen an die Mechanismen der digitalen Welt machen betroffen, sondern auch deren Einfluss auf die reale Welt. So muss man staunend konstatieren, dass, obwohl mehr Informationen denn jemals zuvor zur Verfügung stehen, das Interesse gerade der jungen Generation an Politik rückgängig ist und dadurch eine bedenklich gesellschaftliche Entwicklung zu befürchten ist.

Der Autor schreibt pointiert, wo früher noch ein Fernsehverbot als erzieherische Maßnahme durchaus greifen konnte, steht heute pures Unverständnis, denn wer braucht in Zeiten schier omnipotenter technischer Geräte, die die digitalen Welt wiedergeben können überhaupt noch einen Fernseher. Wer einem Jugendlichen heute etwa den Begriff "Sendeschluss" vermitteln will, der erntet wohl nur staunendes Kopfschütteln.

"Mailbox voll, Akku. Müssen wir jetzt reden?" von Norbert Peter ist ein amüsanter, aber auch nachdenklich stimmender Ausflug in die digitale Welt. Augenzwinkernd und unterhaltsam wird der Leser durch eine neue, nicht immer schöne Welt geführt, die sich anschickt, die Zukunft in einem Ausmaß zu bestimmen, von dem wohl kaum jemand die Auswirkungen abschätzen kann. Aber, so der Autor, besser ein Facebook-Account als gar keine Freunde.




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Veröffentlicht am 6. April 2014