Buchkritik -- Norbert Bolz -- Die ungeliebte Freiheit

Umschlagfoto  -- Norbert Bolz  --  Die ungeliebte Freiheit Der Begriff Freiheit ist in der Moderne in aller Munde. Daraus resultiert seine Ambivalenz und sein Missbrauch. Ohne das Bekenntnis zur Freiheit ist kein demokratischer Staat denkbar. Wer die Freiheit einschränken will oder gar negiert, gilt als Feind. Hinterfragt man jedoch das Wesen der Freiheit und die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit man überhaupt über Freiheit denken, geschweige denn sprechen kann, dann tritt in der Regel eine argumentative Pause ein, die darauf schließen lässt, dass die Vokabel Freiheit einige Tücken und Fallstricke aufweist, die nicht ohne Weiteres - zumindest wenn wir weiter über Freiheit nachdenken wollen - umgangen werden können.

Norbert Bolz hat in seinem Buch Die ungeliebte Freiheit einen, wie der Untertitel es ausdrückt Lagebericht über den aktuellen Zustand und die öffentliche Manifestation von Freiheit gegeben. Korrekt verortet er den Ursprung der Diskussion über Freiheit im europäisch-christlichen Milieu, Aus diesem Grund spricht er nicht zu Unrecht von einem "europäischen Lebensstil" der ..."so einzigartig wie unwahrscheinlich ist". Erst aus dem christlich geprägten und historisch perpetuiertem Selbstverständnis heraus, dass der Mensch dazu in der Lage ist, freie Entscheidungen zu treffen, versteht sich die Tatsache, dass das Denken von Freiheit und ihren grundlegenden Bedingungen seine Wurzeln in der Tradition der religiösen Ausrichtung des christlich-europäischen Kulturraums besitzt.

Während der freie Willen von vielen Soziologen und Psychologen als Phantasievorstellung desavouiert wird - augenscheinlich eine Bankrotterklärung vor den Gefährdungen des modernen Menschen - spricht Bolz davon, dass sich Freiheit erst in der Beschränkung durch die Pflicht manifestiert. Die Einsicht, erst durch eine freiwillige Begrenzung dessen, was das Individuum als Notwendigkeit erkennt, entstehe wahre Freiheit, ist ein Affront gegenüber den politischen Gesellschafts- und Sozialingenieuren unserer Tage.

So ist auch nicht verwunderlich, wenn die Argumentation des Autors, der den Begriff Freiheit untrennbar mit einer bürgerlichen Lebensführung verbindet, als Angriff auf beliebte und beliebige, vermeintlich allgemeingültige Phrasen interpretiert wird. Es ist den Epigonen der 68er unerträglich, wenn der Ursprung individueller Freiheit auf dem europäischen christlichen Glauben und auf das "verhasste" Bürgertum, in dessen Karikatur es sich jedoch inzwischen die frühpensionierten "Marschierer durch die Institutionen" bequem gemacht haben, zurückgeführt wird.

Freiheit ist eine zarte Pflanze, die jederzeit verteidigt werden muss. An dieser Stelle wird der Autor subversiv. In der heutigen Zeit ist es, so Bolz, der Staat, der die Freiheit des Einzelnen bedroht. Unter dem Deckmantel der Gleichheit und der sozialen Gerechtigkeit führt er einen Kampf gegen das selbst bestimmte Individuum. Der Zwang zur Konformität, gesellschaftlich durch Political Correctness, sozial durch das Postulat der allgemeingültigen Gleichheit der Menschen, erfordert vom Freien Menschen eine Art Mimikry, welche seine Fähigkeiten und persönlichen Motive hinter einer Fassade der Anpassung verstecken muss.

Leider widerspricht sich der Autor an dieser Stelle selber, denn in seinen Reflektionen über eine bürgerliche Lebensführung - den einzigen Ausweg aus den klebrigen Armen des Fürsorgestaates - spricht er von der Notwendigkeit von Askese, Tugend und Pflicht. Spätestens bei der Tugend ist Schluss mit Mimikry und gesellschaftlichem und sozialem Understatement. Die konsumistische Masse verzeiht nichts weniger als den bürgerlichen Stolz auf eigene Fähigkeiten und herausragende Leistungen. Auch der Staat, bzw. seine Vertreter, sind gegenüber demjenigen, der andere durch Erfolg überragt, mehr als skeptisch eingestellt. Spricht er doch dem Mantra der Gleichheit Hohn.

Ein Staat, der das "Wohl aller" auf seine Fahnen geschrieben hat, ist in Wirklichkeit der Feind des Allgemeinwohls. Dieses hat die Verschiedenheit der Individuen als Basis. Der Staat hat lediglich die Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Chancen gleich verteilt sind. Die Talente und Fähigkeiten kann er nicht nivellieren.

Aus diesem Grund muss der Bürger seine Freiheit verteidigen. Die Gegner treten in vielen Kostümen auf. Politik, Medien, Konsum, Unterhaltungsindustrie und passive Freizeitgestaltung sind stets daran interessiert, den Bürger zu verführen. Freiheit ist kein erreichter Zustand, sondern ein immerwährendes Bestreben nach individueller Vervollkommnung. Aus diesem Grund ist der europäische Mensch immer auf einer langen Reise.




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