Buchkritik -- Thomas Schäfer -- Casanova

Umschlagfoto  -- Thomas Schäfer  --  Casanova Eine Biographie über Casanova, oder über den Chavalier de Seintgalt, wie er sich selber nannte, stellt den Biographen vor nicht geringe Probleme. Entweder man sieht diese Person des Zeitalters der Aufklärung und des Rokoko in dem sie umgebenden Zeitrahmen und vermeidet den Fehler, unsere heutigen Maßstäbe bei der Bewertung des Tuns anzulegen, oder man tappt genau in diese hermeneutische Falle und verfälscht damit das Bild der jeweiligen Epoche und der in ihr lebenden und handelnden Personen.

Thomas Schäfer ist es in seiner Biographie über das Leben und die Zeit Casanovas gelungen, diesen Fehler zu vermeiden. Er bringt dem Leser auf spannende und interessante Weise beides, Leben und Zeit, dieses zu Unrecht ausschließlich als Verführer von Frauen in die Geschichte eingegangenen Menschen näher.

Casanova war ein typischer Vertreter seiner Epoche. Doch er war nur einer unter vielen in dieser wahrlich mit Individualisten so reich gesegneten Epoche. Sein Nachruhm begründet sich nicht zuletzt auf seinen Memoiren, welche ihn in der Weltliteratur unsterblich gemacht haben. Diese Memoiren waren es auch, die sein Bild, das er in der Nachwelt erhalten sollte, so eng mit seinen Verführungskünsten verbanden. Windige Verleger fügten Texte zu, machten aus der auf jeder Seite seiner ursprünglichen Memoiren prägnanten Sprache schlüpfrige Abschnitte und verkauften sie so einem Publikum, das viel mehr an den erotischen Eskapaden Interesse hatte, als an seinem überaus abwechlungsreichen Leben.

Wer sich einmal die Mühe macht, hier muß ich mich korrigieren, wer sich einmal das Vergnügen gönnt die Originalausgabe dieser Memoiren zu lesen, der wird sehr schnell bemerken, das sich hinter der Volkstümlichen Fassade dessen, was über Casanova allgemein bekannt ist, ein Mensch verbirgt, der intellektuell äußerst anspruchsvoll und oftmals seiner Zeit weit voraus war.

Thomas Schäfer ist es in seiner Biographie gelungen, diesen Teil der Person Casanovas herauszuarbeiten. Er war ein Mann mit vielen Talenten und wußte sie in einer Zeit, in der es hauptsächlich auf die Selbstdarstellung ankam, auch gewinnbringend zu vermarkten. Schäfer klebt nicht sklavisch an der tatsächlichen Chronologie, sondern leistet sich an den Stellen, die für den Leser lohnend sind Exkursionen, die dem Tempo und dem Sujet dieses Buches nur förderlich sind.

Herausgekommen ist ein Buch das es demjenigen, der sich bisher noch nicht mit dieser schillernden Person des Chevalier de Seintgalt beschäftigt hat, Lust macht die Originalmemoiren zu lesen um sich so ein eigenes Bild von dieser Figur zu bilden. Zumal Casanova ein sehr ehrlicher Memoirenschreiber war. Er gestand seine Niederlagen freimütig ein und auch sein Scheitern verschwieg er nicht. Wer sich also ein wirkliches Bild von der Zeit der Aufklärung und des Rokoko abseits von Geschichtsbüchern machen möchte, der liegt bei beiden, bei Schäfer und bei Casanova nicht ganz falsch.




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