Buchkritik -- Michael Götschenberg -- Der böse Wulff

Umschlagfoto Michael Götschenberg, Der böse Wulff Mit 598 Tagen war die Amtszeit von Christian Wulff als Bundespräsident die kürzeste in der Geschichte der Bundesrepublik. Am 17. Februar 2012 endete mit seinem Rücktritt auch ein unschönes Kapitel bundesdeutscher Medien- und Politikrealität. Michael Götschenberg lässt mit seinem Buch "Der böse Wulff" den Verlauf dieser Krise, die zum Schluss eher den Charakter einer verkrampften Kampagne aufwies, Revue passieren und zeigt die politischen und medialen Mechanismen, die, oftmals vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen, zum Rücktritt Christian Wulffs führten.

Nüchtern und faktenbezogen - allein das macht das Buch bereits überaus lesenswert - berichtet der Autor über den politischen Werdegang Wulffs, der nach dem überraschenden Rücktritt seines Amtsvorgängers Horst Köhler ebenso überraschend auf die Liste der möglichen Nachfolger für das Amt des Bundespräsidenten geriet. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass Christian Wulff nicht der Wunschkandidat des politischen Feuilletons war, sondern der von den Grünen vorgeschlagene Joachim Gauck. So waren dann auch drei Wahlgänge nötig, bis der von der Regierung Merkel gewünschte Wulff zum Bundespräsidenten gewählt wurde.

Die Frage, ob bereits zu diesem Zeitpunkt der Ausgangspunkt für die kommenden Ereignisse gelegt wurde, lässt Michael Götschenberg unbeantwortet und konzentriert sich - wieder zum Glück für den Leser - auf die wesentlichen Fakten der Amtszeit Wulffs. Diese, wie auch sein politisches Wirken in Niedersachsen, beschreibt der Autor durchaus positiv, macht jedoch auch deutlich, wie sehr sich der Mensch Wulff während seiner Zeit als Bundespräsident verändert hat.

Der Verlauf der Krise muss an dieser Stelle nicht noch einmal nachvollzogen werden, das macht Michael Götschenberg ohne Polemik und politisches Kalkül. Viel aufschlussreicher sind die Beschreibungen des Autors bezüglich der hinter den Kulissen sich abspielenden Eitelkeiten und Animositäten. Ebenso interessant ist die vom Autor geschilderte Beziehung zwischen dem Ehepaar Wulff und der Bild-Zeitung. Zu Beginn von deren Redakteuren als volksnaher Patchworkfamilienpräsident lanciert und zum Ende fallengelassen und mit großer veröffentlichter Wucht aus dem Amt geschrieben.

Der kritische Beobachter des politischen Zeitgeistes hat zur Amtszeit Wulffs ohne Zweifel seine eigene Meinung. Michael Götschenberg jedenfalls bleibt in seinem Buch auffallend neutral. Natürlich kann man die Fehler, die Christian Wulff im Verlauf der Krise machte, für den eigentlichen Grund für sein Scheitern ausmachen. Viel wahrscheinlicher jedoch, und der Autor bringt es auf den Punkt, war eine fatale Mischung aus Medienhatz und politischer Instinktlosigkeit Wulffs. Wer als Politiker kostenlos in den Feriendomizilen von Unternehmern seine Ferien verbringt, dem droht, auch wenn er im Nachhinein die Kosten übernimmt, zu Recht öffentliche Kritik.

Zum Schluss war Christian Wulff ein von den Medien gehetzter Präsident, dessen Rücktritt Götschenberg "...als einzig richtige Konsequenz, ein Schritt, den er viel zu lange hinauszögert." beschreibt. Damit hat er wohl Recht.

"Der böse Wulff" ist neben der Schilderung des Verlaufs von Wulffs politischer und menschlicher Katastrophe jedoch auch ein Buch über die Macht der Medien, die von einigen Zeitungen exzessiv genutzt wurde, um die Auflage zu steigern. Gegen Ende der Krise waren weniger die Fakten ausschlaggebend, die waren bereits alle bekannt, sondern nur noch das verlegerische Interesse, den Skandal, der eigentlich keiner mehr war, am köcheln zu halten.

Michael Götschenberg - Leiter des gemeinsamen Hauptstadtstudios von RBB, MDR, Radio Bremen und Saarländischem Rundfunk - hat auch eine Kritik an den unappetitlichen Seiten des bundesdeutschen Politik- und Medienzirkus geschrieben und dem Autor gebührt großes Lob für seine vorurteilsfreie Chronik des inszenierten Scheiterns von Christian Wulff.




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