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Buchkritik -- Peter Huth -- Der Honigmann

Umschlagfoto, Buchkritik, Peter Huth, Der Honigmann, InKulturA Der Großstadt entfliehen. Der Hektik, dem Dreck und dem Mief entkommen. Unter der Hand auch gern, aber verschämt zugegeben, dass es mit den vielen Neubürgern, deren kulturelles und soziales Verständnis etwas vom hiesigen Standard abweicht, so eine Sache ist, und man lieber etwas Distanz schaffen würde.

Fischbach heißt die neue Idylle. Gut zwanzig Kilometer von der großen Stadt entfernt, für Pendler keine große Sache. Die Kinder leben in und mit der Natur und die Eltern, alle Neuzugänge des Ortes sind gehobene Mittelschicht, haben, so erweckt es den Anschein, das Paradies gefunden.

Das denken auch Tom und Fine, die mit ihrer Tochter Carla nach Fischbach gezogen sind und sich schnell mit ihren Nachbarn Robert und Katja und deren Söhnen Nick und Justus angefreundet haben. Mit Luisa und Albert, einem weiteren Paar, ist das Trio komplett und es beginnt der übliche dörfliche Mief mit Grillabenden, zu viel Alkohol und, vorerst nur unterschwellig formuliert und immer mit einer humorvollen Note ausgesprochen, Ressentiments.

Man besucht sich gegenseitig, die Kinder gehen alle auf eine Schule mit besonderem pädagogischen Konzept, spielen miteinander und nichts, davon sind alle überzeugt, kann diese Idylle zerstören.

Ein ganz besonderes Highlight ist der kleine Laden, der mit seinem großen Sortiment spezieller Honigsorten und ausgesuchten Dekoartikeln die Herzen der stadtflüchtigen „Juristinnen, Betriebswissenschaftlerinnen, PR-Profis, Lehrerinnen, Katja war Journalistin, verflucht noch mal, sogar stellvertretende Chefredakteurin einer der größten Zeitschriften des Landes.“, so drückt es Fine einmal aus, höher schlagen lässt.

Gleich neben der Schule gelegen, ist er auch eine Anlaufstelle für die Kinder und bald heißt der Mann, der den Laden betreibt, nur noch „Der Honigmann“.

Doch die Idylle bekommt Risse, denn der Honigmann hat, so findet es eine Mutter heraus, eine Geschichte, die nicht so ganz dem Bild entspricht, das sich seine Kundinnen vom ihm gemacht haben.

Ein Gerücht ist in der Welt und nimmt mithilfe der (a)sozialen Medien seinen Lauf. Initiiert von Fine, bildet sich eine Gruppe auf Facebook, die Fischbach-Mütter, deren Posts schnell eine zunehmende verbale Aggressivität annehmen und, zusätzlich angefeuert durch eine lokale Zeitung, ein unheilvolles Eigenleben entwickelt.

Peter Huth zeigt in seinem Roman eindringlich den dünnen Firnis der Zivilisation, die immer in Gefahr ist, durch Animositäten, Vorurteile und Neid zerstört zu werden.

Mit der Verbreitung des Gerüchts über den Honigmann fällt auch die oberflächliche Freundschaft der drei Familien dem Menschlich-Allzu-Menschlichen zum Opfer. Auf einmal werden bislang verdrängte Wahrheiten ausgesprochen.

Die Arbeitslosigkeit und der zunehmende Alkoholkonsum von Tim, dessen Job nach zwanzig Jahren Zugehörigkeit gekündigt wurde. Pikant, das seine Frau die stellvertretende Chefredakteurin des Magazins, die Leserinnen und Leser werden wissen, welches wöchentlich erscheinenden Blatt hier Pate stand, das hätte verhindern können.

Die künstlerischen Bemühungen Luisas, die auf eine eigene Karriere verzichtet hat, weil sie immer in der zweiten Reihe steht. Und letztendlich Fine, durch eine Fernsehsoap eine halbwegs bekannte Schauspielerin, deren Furor bezüglich des Gerüchts über den Honigmann dafür sorgt, dass eine Demonstration droht aus dem Ruder zu laufen.

„Der Honigmann“ ist ein fein austarierter und hart an der Realität der menschlichen Unzulänglichkeiten und Schwächen geschriebener Roman, der zum Schluss nur Verlierer kennt, denn eine vermeintliche Idylle hält nur solange, wie alle Beteiligten die ihnen zugewiesenen Rollen spielen.




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Veröffentlicht am 20. August 2024