Buchkritik -- Peter Scholl-Latour -- Die Welt aus den Fugen

Umschlagfoto  -- Peter Scholl-Latour  --  Die Welt aus den Fugen "Die Welt aus den Fugen", so lautet der Titel des aktuellen Buches von Peter Scholl-Latour. Der Grandseigneur der politischen Reportage zieht darin eine Bilanz seiner bisherigen Einschätzungen, die sich, nicht überraschend für die Kenner seiner Bücher, mehrheitlich bewahrheitet haben.

"Die Welt aus den Fugen" kann aber auch als Synonym für einen globalen politischen Paradigmenwechsel gedeutet werden, dessen Auswirkungen anscheinend noch nicht ihren Weg in die Köpfe der herrschenden Eliten der "westlichen Welt" gefunden haben. Das politische und gesellschaftliche Modell des "Westens", Demokratie und Marktwirtschaft, ist, zum Trotz aller politischen Propaganda europäischer und US-amerikanischer Politiker und Medien, kein Exportschlager geworden.

Mit spöttischen Bemerkungen zieht Scholl-Latour z. B. über die unrealistischen Hoffnungen gerade deutscher Politiker her, die bezüglich der sog. Arabellion, des "arabischen Frühlings" in Nahen Osten ein gewaltiges Konzert der Begeisterung über die nun vonstatten gehende Demokratisierung arabischer Länder angestimmt hatten. Die Realität sieht, Peter Scholl-Latour hat immer darauf hingewiesen, nüchterner, vor allem ernüchternder aus. Die Moslem-Brüder,islamische Fundamentalisten durch und durch, eilen von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. Der "arabische Frühling" war von Anfang an eine urbane Bewegung, die außerhalb solcher Städte wie Kairo keinen nennenswerten Einfluss auf die Bevölkerung der arabischen Nationen ausgeübt hat.

Während der Nahe und Mittlere Osten einer ungewissen, für die westliche Welt jedoch mit großen Problemen behafteten Zukunft entgegen geht, ist spätestens durch die erneute Wahl von Barack Obama zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika klargeworden, dass auch der Westen vor großen Umwälzungen steht. Die Welt wird, so Scholl-Latour, unweigerlich multipolarer werden. Die Zeiten der westlichen Hegemonie sind längst Vergangenheit. Der Wahlsieg Obamas war den Stimmen der Latinos und Schwarzen zu verdanken, denen das "weiße" Amerika nichts mehr entgegenzusetzen hat. Diese Tatsache wird auch bald in Europa spürbar werden, wenn in wenigen Jahren die Auswirkungen des demographischen Wandels voll zum Tragen kommen.

Peter Scholl-Latour ist einer der letzten Großen seines Metiers. Seine umfassenden Kenntnisse der jeweiligen Länder beruhen auf persönlichen Kontakten und Erfahrungen. Damit ist er der aktuellen Generation von Journalisten und Politikern weit voraus. So erstaunt auch nicht seine Kritik an den westlichen Medien, denen er bewußte Desinformation vorwirft.

Seine Meinung gegenüber der deutschen Außenpolitik unter Guido Westerwelle und Angela Merkel ist vernichtend. Die moralisierenden Auftritte deutscher Politiker gegenüber China und Russland sind für ihn Ausdruck amateurhaften Verhaltens. Die Entwicklung Südamerikas findet nahezu ohne Kenntnis der deutschen Politträumer statt.

"Die Welt aus den Fugen" von Peter Scholl-Latour bringt für seine Leser nichts wesentliche Neues. Trotzdem ist es, wie alle seine Bücher, ein profundes Dokument journalistischer Kompetenz. Kein Wunder, dass sich nur wenige deutsche Politiker trauen, mit ihm zusammen an einer politischen Gesprächsrunde teilzunehmen. Deren Dilettantismus - Unkenntnis gepaart mit Überheblichkeit - würde er binnen weniger Minuten entlarven.




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