Buchkritik -- Elmar R. Gruber -- Nostradamus

Umschlagfoto  -- Elmar R. Gruber  --  Nostradamus Die Prophezeiungen des Michel de Nostradame sind auch noch über 500 Jahre nach ihrer erstmaligen Veröffentlichung ein weltbewegendes Stück Literatur. Vielleicht gerade in Zeiten der Krise, wie wir sie aktuell erleben, steigt ihre Bedeutung für den Einzelnen an und viele, all zu viele, versuchen mit ihrer Hilfe eine Orientierung in verwirrender Zeit zu bekommen. Doch wie weit kann man Nostradamus, bzw. seinen Prophezeiungen, trauen? Sind sie eine Hilfe zur Bestimmung dessen, was in der Zukunft geschieht, oder sind sie, wie nicht wenige behaupten, zwar von literarischem Reiz, als ernst zu nehmende Voraussagen jedoch von zweifelhafter Bedeutung?

Elmar R. Gruber, ehemaliger Mitarbeiter von Prof. Dr. Hans Bender am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene und kritischer Beobachter von paranormalen Phänomenen, veröffentlichte im Jahr 2003 ein Werk über den berühmten Seher aus Salon in Frankreich. Binnen kurzer Zeit ist es zu einem Standardwerk der ernst zu nehmenden Nostradamusforschung geworden. Der Autor unterzieht den Mythos Nostradamus einer überaus kritischen Beobachtung, an deren Ende er zu überraschenden Schlüssen gelangt. Das zentrale Thema seiner Forschung besteht sowohl darin, die historischen Bedingungen, unter denen Nostradamus lebte und arbeitete, frei zu legen, als auch darin, sich mit den philosophischen und geschichtlichen Hintergründen der Prophezeiungen zu beschäftigen.

Nostradamus, eigentlich an der Schwelle zur Neuzeit stehend, blieb in seinem historischen Verständnis der Antike verhaftet. Indem er eine, wie auch immer geartete Kontinuität der Geschichte voraussetzte, war er bestrebt, diese, im wesentlichen immer gleiche Abfolge, in die dunkle Sprache seiner Voraussagen zu übersetzen. Historisch verbürgte Tatsachen werden in einen Zusammenhang mit bestimmten Naturerscheinungen, bzw. Sonnen- und Mondfinsternissen, dem erscheinen von Kometen, Hochwasser, etc. gebracht. Für Gruber ist es kein Zufall, daß Nostradamus gerade für sein Zeitalter eine große Zahl von Konflikten, bzw. Kriegen voraussah. Zum einen war er ein Mann, der sich sehr wohl dem Anbruch einer neuen Epoche bewußt war und der auch die politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen deutlich sah. Nichts lag also näher, als, so der Autor, daß Nostradamus diesem allgemeinen Gefühl in seinen Prophezeiungen Ausdruck verlieh.

Für Gruber sind die Prophezeiungen des Nostradamus kein Ausdruck eines präkognitiven Vermögens, sondern die geschickte Vermischung von Allegorien, Parabeln und antikem Gedankengut. Die vom Autor verwendeten Beispiele zeigen, daß Michel de Nostradame bei seinen Horoskopen und Voraussagen des öfteren falsch lag. Die Gegner, bzw. die kritischen Betrachter der Werke Nostradamus und deren Bedeutung für eine wie auch immer geartete Gabe der Prophetie bekommen reichlich Argumente dagegen. Die Apologeten des Sehers aus Salon werden argumentieren, daß es auch Gruber nicht gelungen ist, einen Schlüssel zum Verständnis der Prophezeiungen zu liefern. Beide haben sowohl recht, als auch unrecht.

Elmar R. Gruber bleibt mit seinen Analysen zu textimmanent bezogen. Auch er verfängt sich dabei in den Fallstricken einer Interpretationsweise, die er seinen ernst zu nehmenden Kollegen vorwirft. Er beklagt sich des öfteren darüber, daß die überwiegend unklaren und nebulös gehaltenen Vierzeiler der individuellen Verfälschung anheim fallen. Selber jedoch benutzt er oft die gleiche, unseriöse Methode der Weglassung, der Umformulierung und des Buchstabentauschens.

Zugegeben, Nostradamus hat es seinen Lesern und Interpreten nicht leicht gemacht. Seine bewußt dunkel gehaltenen Zeilen laden zur Manipulation und zum persönlichen Mißbrauch ein. Es kann beliebiges hinein interpretiert werden und genausogut beliebiges weggelassen werden - Hauptsache es passt zur jeweiligen Intention. Man kann Nostradamus nicht gleichgültig gegenüber stehen. Entweder man legt ihn und seine Prophezeiungen unter dem Stichwort Scharlatanerie ab, oder man ist von ihnen fasziniert und läßt sich gerne aufs Glatteis führen. So oder so, die Prophezeiungen sind mittlerweile Weltliteratur geworden und werden auch weiterhin die Leser in zwei Lager spalten. Entweder man ist von ihrer Vieldeutigkeit beeindruckt, oder man lehnt jegliche Art von Präkognition generell ab.

Elmar R. Gruber hat auf alle Fälle ein überaus interessantes Buch zum Thema Nostradamus und seine historischen und philosophischen Wurzeln geschrieben.

Ein weiteres empfehlenswertes und auf dieser Seite besprochenes Buch zum Thema Nostradamus:

Ulrich Maichle,
"Die verlorene Welt der Planetenengel & die Prophezeiungen des Michel Nostradamus"




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