Buchkritik -- Frédéric Gros -- Die Politisierung der Sicherheit

Umschlagfoto, Frédéric Gros, Die Politisierung der Sicherhei , InKulturA In einer Zeit zunehmender politischer und religiöser Gewalt, erhält der Begriff Sicherheit eine nahezu allumfassende Bedeutung, die, spätestens nach den Anschlägen islamischer Terroristen am 11. September 2001 in den USA, weniger der Gewährleistung der Grundrechte dient, als vielmehr zu einem Instrument zur Herstellung und Sicherung der öffentlichen Ordnung mutiert ist und dabei oft die Freiheit des Bürgers aus den Augen verliert. Frédéric Gros hat sich in seinem Buch "Die Politisierung der Sicherheit" mit der Entwicklung dieses Begriffs, ausgehend von der Tradition der Antike, die ihn als subjektiven Zustand der Seele, als Gemütsruhe und inneren Frieden verstand, beschäftigt.

Der Autor macht seitdem drei weitere Phasen des Nachdenkens über Sicherheit aus, deren erste er in den millenaristischen Bewegungen des späten Mittelalters verortet und mit ihr die Hoffnungen "eines neuen Himmels und einer neuen Erde", der die Unsicherheiten und Fährnisse des Lebens ein für allemal beseitigt. In der frühen Neuzeit stand der Gedanke der Sicherheit vornehmlich unter dem Aspekt des Schutzes von Eigentum und Leben, garantiert durch den Staat. Dieser führte über die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts direkt zum letzten von Frédéric Gros untersuchten Zustand, dem Zusammenschluß und der Einheit von Staat und Sicherheit.

Diese Politisierung der Sicherheit, nichts anderes ist die Synthese zwischen staatlichen Institutionen und offiziell garantiertem Paternalismus, so argumentiert Gros, der in der Denktradition Michel Foucaults stehende französische Philosoph und Politikwissenschaftler, führt dann auch weniger zum Schutz des Individuums, sondern manifestiert sich in der Totalüberwachung der Bürger, die sich anmaßt, durch staatliche Kontroll- und Regulierungsmaßnahmen die Menschen vor sich selber beschützen zu müssen.

Der Leser erhält den Eindruck, Gros vertritt eine Position der historischen Zwangsläufigkeit, wenn er die Entwicklung des Sicherheitsbegriffs untersucht. Dieser wird noch verstärkt durch einen vermeintlichen Endpunkt, der Autor nennt ihn "Biosicherheit", der, oft unter Zuhilfenahme, besser ausgedrückt, Einmischung global agierender Konzerne und anderer Institutionen, mit "human security" in einen Bereich vordringt, den die Politik längst aufgegeben hat.

Man muss nicht mit allen Thesen des Autors übereinstimmen und trotz der manchmal sprunghaft nebeneinander gestellten Darlegungen des Sicherheitsbegriffs lohnt sich die Lektüre auf jeden Fall, ist doch die Politik dabei, ihr Sicherheitsprimat sukzessive an global agierende Organisationen zu transferieren.




Meine Bewertung:Bewertung

Veröffentlicht am 30. Oktober 2015