Buchkritik -- Wolfgang Hetzer -- Finanzkrieg

Umschlagfoto, Wolfgang Hetzer, Finanzkrieg , InKulturA "Finanzkrieg", so der etwas reißerisch anmutende Titel des Buches von Wolfgang Hetzer, ist die letzte Eskalationsstufe vor dem Zusammenbruch der europäischen Staaten und damit ein Zeichen dafür, dass die Auflösung gesellschaftlicher Werte und Normen droht, die einzig dem Wahnsinn eines außer Kontrolle geratenen Finanzkapitalismus geschuldet ist.

Der Autor, seit 2002 Leiter der Abteilung "Intelligence: Strategic Assessment & Analysis" (strategische Informationssammlung und Risikoabschätzung) im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), hat sich spätestens mit seinem Buch "Finanzmafia" als intimer Kenner der internationalen Kapitalmärkte und deren Kampf gegen Demokratie und Freiheit erwiesen.

Der Kapitalismus in seiner jetzigen Form hat sich als Kriegstreiber gegen die Gesellschaft geoutet, dem es zusätzlich gelungen ist, Politiker, die per se über wenig Wissen bezüglich der Mechanismen der Finanzwirtschaft verfügen, unter seine Kontrolle zu bringen. Es ist dies eine unheilige Allianz zwischen Inkompetenz (Politiker) und Machtstreben (Finanzwirtschaft), die sich daran gemacht hat, die Regeln des gesellschaftlichen Lebens zu verändern.

Wir leben spätestens seit dem Ausbruch der Finanzkrise in einem Ausnahmezustand, den weder die Bürger zur Gänze verstehen noch die Politiker gewillt sind, zu beenden. "Finanzkrieg" ist keine Warnung vor einem kommenden Ereignis, sondern die Feststellung, dass wir bereits in einem solchen leben. Die Schere zwischen arm und reich erweitert sich mit rasentem Tempo und der Umbau der Gesellschaft hat ein erschreckendes Ausmaß angenommen.

Die Politik ist weder willens noch dazu in der Lage die Kontrolle über die Mächte des Finanzkapitalismus zurückzuerlangen, weil sie vom Geld, besser gesagt von dessen Krediten abhängig geworden ist. Der Sozialstaat, das Versprechen der Politiker, den "Himmel auf Erden" zu errichten, hat zu einer fatale Abhängigkeit des Staates von externen Geldern (Krediten) geführt. Aus diesem Grund ist die Argumentation Hetzers nachvollziehbar, wenn er behauptet, dass die Politik durch falsche Rahmensetzung an den Auswüchsen des Finanzkapitalismus Schuld ist.

Es waren Politiker, die den Finanz- und Bankensektor dereguliert haben. In Ermangelung eigenes Sachverstandes wurden externe Berater und Kanzleien mit der Formulierung von Gesetzen beauftragt, die weder im Sinn einer funktionieren Gesellschaft waren noch die Interessen der Bürger vertraten. Wolfgang Hetzer bringt anhand der Person Peer Steinbrück den ganzen Wahnsinn und die Unfähigkeit von verantwortlichen Politikern auf den Punkt. So war dieser während seiner Zeit als Finanzminister in den Jahren 2005 bis 2009 eifrig damit beschäftigt, den Wünschen und Forderungen der Banken nachzukommen, die sich der staatlichen Aufsicht entledigen wollten und auf eine umfassende Deregulierung des Banken- und Finanzsektors drängten - mit den heute sichtbar gewordenen Konsequenzen.

Sind die Bürger Deutschlands noch der Meinung, alles werde schon irgendwie und irgendwann besser werden, befinden sich Länder wie Griechenland und Zypern bereits im Krieg. Zuletzt konnte man in Zypern Zeuge dessen werden, was wohl auch im noch ruhigen Deutschland droht. Bankenschließungen und die Enteignung der Bürger in Form von Zwangsbeteiligungen an den Schulden der Kreditinstitute.

"Finanzkrieg" ist eine Bestandsaufnahme davon, wie unfähige und korrupte Politikern zusammen mit Bankstern einen Krieg gegen die Gesellschaft führen, der, wenn er weiter voranschreitet, zu einem unkontrollierbaren Flächenbrand, Hetzer scheut sich nicht, das Wort Krieg zu benutzen, führten wird.

Leider, und das ist ein Manko dieser ansonsten makellosen Analyse, wird im Verlauf des Buches nicht immer deutlich, wann der Autor argumentiert oder wessen Thesen Wolfgang Hetzer gerade vorstellt. Über lange Strecken erfährt der Leser von der Renaissance Marx´schen Gedankenguts, das doch, bei allem Respekt für Philosophie- und Ökonomiegeschichte, nicht dazu taugt, die aktuellen Probleme analysieren oder gar lösen zu können und besser in der Mottenkiste der gescheiterten Theorien bleiben sollte.

Wie kann sich der Bürger gegen diesen Krieg, den die herrschenden Eliten gegen ihn führen, wehren? Wolfgang Hetzer hat so seine Ideen: "Eine Politik, die nicht mehr in der Lage ist, die ihr anvertrauten Aufgaben selbst zu erfüllen, müsste eine Lektion bekommen, die nur vom wirklichen Souverän erteilt werden könnte, wenn nötig auch außerhalb von Wahllokalen."




Meine Bewertung:Bewertung