Buchkritik -- Henning Mankell -- Vor dem Frost

Umschlagfoto  -- Henning Mankell  --  Vor dem Frost Kommissar Kurt Wallander hat Konkurrenz bekommen. Seine Tochter Linda ist Polizeianwärterin in Ystad. Zunächst soll sie ihren Vater nur beobachtend begleiten, doch nach den Verschwinden ihrer Freundin Anna wird sie persönlich von dem Fall betroffen. Dieser Fall scheint auf den ersten Blick mysteriös zu sein. Brennende Schwäne, eine in Brand gesetzte Tierhandlung, eine erdrosselte Amerikanerin und in Flammen stehende Kirchen warten darauf vom Team um Kommissar Wallander in einen Zusammenhang gebracht zu werden.

Wie immer bei Henning Mankell geht es um die unauslotbaren Tiefen der menschlichen Seele. Diesmal zieht er einen großen Rahmen, der von dem Massaker in Jonestown im Jahr 1978, in dem die Anhänger von Jim Jones, einem selbsternannten Priester, ihrem Anführer bedingungslos in den Tod folgten, bis hin zu den Attentaten vom 11. September 2001 reicht. Es sind diesmal nicht die Verwerfungen der Gesellschaft, welche bislang immer von Mankell beschrieben wurden, sondern diesmal geht es ihm um das spezifisch menschliche Problem der Einsamkeit. Alle der handelnden Personen sind im Prinzip Suchende, die in dem Ozean ihrer eigenen Einsamkeit schwimmen. Außerhalb der beruflichen Kommunikation läßt sich niemand auf nähere Kontakte ein. Alle, auch die Täter, sind Gefangene ihrer selbst.

Der Roman Vor dem Frost ist sowohl ein Buch über menschliche Einsamkeit, als auch eines über die Gefahr des daraus resultierenden Fanatismus. Der Täter will die Menschen zu einen neuen Glauben bekehren, doch zuerst muß er den alten zerstören und alle, die gesündigt haben töten. Fanatismus lauert überall. Im Grund sind sich die Polizisten und die Täter ähnlich. Beide haben außer ihrer jeweiligen Mission keinen Lebensinhalt. Mankell beschreibt die innere Psyche seiner Personen einmal mehr sehr akribisch. Natürlich gibt es die zu erwartenden Spannungen zwischen Vater und Tochter, deren Verhältnis ja auch schon in den vorangegangenen Romanen kompliziert war. Doch diesmal ist der Roman auch eine Rückschau von Beiden auf ihr bisheriges Leben. Sie stellen sich mehr als einmal die Frage, warum sich alles gerade so entwickelt hat und nicht anders. Sie werden keine Antwort darauf finden.

Henning Mankell hat sich mit diesem Buch weit weg von einem reinen Kriminalroman geschrieben. Die Fahndung nach den Verbrechern, und das spüren von Zusammenhängen sind nur Rahmenhandlungen. Sein eigentliches Anliegen ist die Darstellung der Verführbarkeit des Menschen durch ungewisse Heilsversprechungen. Nur um ihrer Einsamkeit und einer unbestimmten und diffusen Sehnsucht zu entfliehen, folgen die meisten Menschen irgendwelchen selbsternannten Führern. Diese Führer sind beliebig austauschbar. Für die einen ist es ein Priester, für die anderen der Anführer einer Bande von Hooligans. Der Grund ist der gleiche, nur die Methoden sind anders.

Hanning Mankell hat einen sehr pessimistischen Roman geschrieben. Die Täter werden zwar ermittelt und verhaftet, doch das Dunkel in der menschlichen Seele bleibt erhalten.




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