Buchkritik -- Leon de Winter -- Geronimo

Umschlagfoto, Buchkritik, Leon de Winter, Geronimo, InKulturA Als am 11. September 2001 vier Linienflüge in den USA von radikalen Islamisten entführt wurden und zwei davon in die Türme des World Trade Centers in New York, einer in das Pentagon gesteuert wurden und einer, nach Kämpfen mit Passagieren, bei Shanksville abstürzte, wurde einer empörten Öffentlichkeit schnell ein Verantwortlicher genannt. Osama bin Laden, der Gründer des Terrornetzwerks al-Qaida, soll diese Aktion koordiniert haben.

Am 2. Mai 2011 startete die Aktion "Operation Neptune's Spear" deren Ziel die Liquidierung bin Ladens war, dessen Aufenthaltsort im pakistanischen Abbottabad lokalisiert wurde. Über den Hergang gibt es verschiedene Versionen und die beteiligten Einsatzkräfte des SEAL Team Six starben - für manche Beobachter nicht zufällig - alle bei einem anderen militärischen Einsatz.

Doch war es wirklich so gewesen, wie die US-amerikanische Administration es offiziell verkündet hat? Starb UBL im Kugelhagel der Navy Seals oder, wie Leon de Winter es in seinem Roman erzählt, lief die Aktion vollkommen anders ab, als im Pentagon geplant?

"Geronimo", so lautete das Codewort für die erfolgreiche Durchführung der Liquidierung bin Ladens. Unter diesem Titel gibt de Winter seine Version der Geschichte wieder, die einen, so der Autor, anderen Verlauf nahm.

Ausgeheckt in einer bierseligen Stimmung des Team Six, das sich mit seiner Aktion über die Befehle der militärischen Führung hinwegsetzte, wird die Entführung UBL`s beschlossen, um von ihm weitere Details zu seinem Netzwerk zu erhalten. Die unerhörte Aktion gelingt, doch damit lösen die Soldaten eine internationale Krise aus, die zahlreiche Opfer fordert.

Der wahre Grund für den Befehl des US-amerikanischen Präsidenten Obama zur Tötung bin Ladens bestand in dessen Besitz kompromittierender Fotos des Führers der Freien Welt, die, bei Veröffentlichung, für ein politisches Erdbeben gesorgt hätten.

De Winters Roman ist eine düstere Beschreibung politischer Realität, die die Grenzen zwischen gut und böse, richtig und falsch verwischt. Mitten drin befindet sich Tom Johnson, ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter, der wegen im Einsatz erlittener Verletzungen vom aktiven Dienst befreit ist, doch weiterhin sein Wissen zur Verfügung stellt. Er kann den Tod seines Kindes nicht verkraften, zu dessen Zeit er im Ausland tätig war.

Freundschaft und Verrat sind die Themen, die diesen großartigen, jedoch oft beklemmenden Roman durchziehen. Die Aktion des Team Six scheitert dann auch an Letzterem. De Winter lässt die Handlung auf zwei Ebenen abspielen, auf der Makroebene der Globalpolitik, und auf der Mikroebene persönlicher Konflikte und des Scheiterns von Freundschaft und Liebe.

Gleichzeitig zeigt er aber auch das Banale einer, von den öffentlichen Medien zumindest so tituliert, Figur des abgrundtief Bösen. So knattert UBL mit wehenden Klamotten durch das nächtliche Abbottabad, auf der Suche nach Vanilleeis für seine aktuelle Lieblingsfrau. Dort lernt er das junge afghanisches Mädchen Apana kennen, das später Tom dazu bringen wird, an die Existenz von Wundern zu glauben.

"Geronimo" ist ein Roman über das inhärent Destruktive des religiösen Fanatismus und damit zielt der Autor direkt auf den radikalen Islam, für den sogar Musik - de Winter lässt Apana göttliche Schönheit in Bachs Goldberg-Variationen erkennen - verwerflich ist. Apana muss für ihre Erkenntnis teuer bezahlen, denn die Taliban schneiden ihr Hände und Ohren ab.

Doch jenseits des Wahnsinns besteht Hoffnung für die, die bereit sind, diese nicht als Abschluss, sondern als neuen Anfang zu akzeptieren. Als Tom von seiner ehemaligen Ehefrau den wahren Grund für den Tod des gemeinsamen Kindes erfährt - an dieser Stelle verknüpft der Autor auf dramatische Weise zwei lose Enden - bedeutet das für ihn die Chance des Loslösens von der Vergangenheit.




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Veröffentlicht am 18. Dezember 2016