Buchkritik -- Erwin Grandinger -- Beyond Repair

Umschlagfoto  -- Erwin Grandinger  --  Beyond Repair Ein Kolumnist muss schon viel Selbstbewusstsein besitzen, wenn er sich dazu entschließt, ein Buch zu veröffentlichen, das eine Auswahl seiner, in einem Zeitraum von 10 Jahren geschriebenen Meinungsbeiträge enthält. Erwin Grandinger hat das Wagnis unternommen und legt mit Beyond Repair ein Buch vor, das den Leser mit den oft wahrhaft hellsichtigen Prognosen dieses ausgewiesenen Finanzexperten verblüfft.

Im Gegensatz zu den vielen selbst ernannten oder durch die Medien dazu gemachten Pseudoexperten und deren Äußerungen mit geringer Halbwertzeit, finden sich in dem Buch von Erwin Grandinger kompetente und an Sachverstand reiche Bemerkungen zum finanzpolitischen Zeitgeist des vergangenen Jahrzehnts. So attestierte der Autor bereits im Jahr 2001, dass die FDP in ihrer damaligen - und erst recht in der jetzigen Form - kein Mensch mehr braucht. Was vor nunmehr 10 Jahren eine verwegen anmutende Bemerkung gewesen ist, wird durch den aktuellen desolaten Zustand dieser Partei mehr als bestätigt.

So zutreffend sich die Kolumnen im Nachhinein auch herausgestellt haben, die wirkliche Bombe liegt in den knapp 50 Seiten der Einführung dieses Buches. Der Autor rechnet rücksichts- und gnadenlos mit dem Zustand der Bundesrepublik ab. Dabei scheut er sich nicht, den Begriff des Systems zu benutzen, den die seit Langem an den Hebeln der Macht sitzenden Alt-68er am liebsten auf ewig ins Dunkel der Geschichte verbannen würden. Das System versorgt sie nämlich auf angenehme Weise.

Wer, wie diejenigen, denen der "Marsch durch die Institutionen" erfolgreich gelungen ist, die also, wie Erwin Grandinger es nennt, systemnah arbeiten, d. h. unmittelbar abhängig von der Steuerverteilungsmaschine Staat, in deren Interesse kann es nicht sein, dieses System grundlegend zu verändern. Aus diesem Grund beruhigt der Autor die herrschende Klasse. Sie müsse keine Revolution fürchten, weil diese in der Regel eine Sache von jungen Menschen ist. Da jedoch die demographische Entwicklung Deutschlands zugunsten der Alten verläuft, haben die Besitzstandswahrer nichts zu befürchten, solange es ihnen gelingt, an den politischen und medialen Schalthebeln der Gesellschaft zu ziehen.

Der Autor vergleicht den aktuellen Zustand dieses Staates mit dem der als unsinkbar geltenden Titanic. Offiziere und Passagiere wiegten sich in der trügerischen Sicherheit, sich auf einem Schiff zu befinden, das nicht untergehen könnte. In genau der gleichen Situation befinden wir uns heute. Politiker, deren Wissen um die Regeln des Finanzmarktes bestenfalls rudimentär zu nennen sind, befinden über milliardenschwere Rettungspakete an Banken, nachdem sie eben diesen Banken - gerade auch den politischen Landesbanken - aus Unkenntnis beliebe Freifahrtscheine zur Erzeugung von Fiat-Money, von Geld aus dem Nichts erteilt hatten.

Erwin Grandinger spricht vom Organismus des Staates, der sich immer weiter in die bürgerliche Sphäre ausdehnt, ausdehnen muss, wenn er die Kontrolle über das System behalten will. Genauso gut und präziser hätte er von einem Krebsgeschwür sprechen können, das sich in die Gesellschaft frisst und sie von innen aushöhlt. Immerhin besitzen Organismen die Kraft und die Fähigkeit zur Selbstheilung. Da diese systembedingt nicht stattfinden kann, kommt dem Titel des Buches eine besondere Bedeutung zu. Beyond Repair heißt nichts weniger, als dass der Zeitpunkt, an dem Rettung noch möglich gewesen wäre, bereits überschritten ist und, wie beim Untergang der Titanic, sich eine Kammer nach der anderen mit Wasser füllt. Denkt man anstelle der Schiffskammern an die real zahlungsunfähigen Staaten Europas, sieht man aus Ausmaß der Katastrophe. Griechenland war die erste Kammer. Weitere sind dabei, sich zu füllen. Denkt man ebenfalls daran, dass, so der Autor "...heute über 75 Prozent des Bundeshaushaltes aus Zinsleistungen und Tilgung, Personal- und Wohlfahrtsstaatskosten bestehen", so können nur noch Narren und staatsnah Beschäftigte an ein Überleben dieses Systems glauben. Noch einmal Grandinger: "Im Übrigen hat die Dekadenz des Okzidents der Demographie des Orients nichts entgegen zu setzen".

Das System, will es "alternativlos" in den Bahnen der Unfähigkeit weitermachen, ist dazu gezwungen, die Bürger, die den Braten längst gerochen haben, abzulenken. Dazu bedient es sich, wieder mithilfe staatsnaher Institutionen und Medien, solcher Ersatzschauplätze wie Terrorgefahr, Klimakatastrophe, Waldsterben, ..., welche die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit ablenken sollen. Reichen diese Maßnahmen immer noch nicht aus, dann werden die Überbringer schlechter Nachrichten politisch und gesellschaftlich der Lächerlichkeit preisgegeben. Nicht zu Unrecht verweist Erwin Grandinger auf die Tatsache, dass im 21. Jahrhundert in der Regel niemand mehr für die Äußerung seiner Meinung ins Gefängnis kommt. Doch in Wirklichkeit laufen die Mechanismen der Mediendemokratie nur subtiler ab. Politische Rache für abweichendes Verhalten scheint zeitlos zu sein. Gerade die Epigonen der 68er haben dieses Reaktionsmuster nahezu perfektioniert.

Beyond Repair ist ein Alarmruf für diejenigen, die sich noch die Fähigkeit zur kritischen Überprüfung der aktuellen Situation bewahrt haben. Sie sollten auf jeden Fall schon mal ihre Rettungsboote überprüfen, denn das Wasser steigt unaufhörlich.




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