Buchkritik -- Kirsten Heisig -- Das Ende der Geduld

Umschlagfoto  -- Kirsten Heisig  --  Das Ende der Geduld Jugendkriminalität ist ein zunehmendes Problem speziell in den Großstädten. Berlin bildet hierbei keine Ausnahme und so kommt das mit Spannung erwartete Buch der ehemaligen Jugendrichterin Kirsten Heisig zur rechten Zeit auf den Markt. Um es gleich vorwegzusagen, Das Ende der Geduld ist bei weitem nicht der Aufreger, als der es bereits im Vorfeld gehandelt wurde, sondern es beschreibt nüchtern, manchmal ernüchternd, den anscheinend aussichtslosen Kampf von Lehrern, Polizisten und Justiz gegen das frühe Abgleiten Jugendlicher in die Kriminalität.

Heisig beschreibt die Täterkarrieren, die in fast allen Fällen in einem desolaten Elternhaus ihren Ursprung haben. Bereits früh mit innerfamiliären Gewalt- und Suchtproblemen konfrontiert, ohne regelmäßigen Schulbesuch geschweige einem Schulabschluss, ist der weitere Lebensweg vorgezeichnet. Anhand exemplarischer Beispiele, die, wie die Autorin schreibt, stellvertretend für viele andere stehen, zeigt die den Teufelskreis, der einmal begonnen, nur sehr schwer und mit viel Mühe aller Beteiligten - Täter, Justiz, Erzieher - durchbrochen werden kann.

Eine Sonderstellung, ohne dadurch zum allgemeinen Tenor des Buches zu werden, misst Kirsten Heisig den libanesischen Großfamilien zu, deren polizeiliche Akten bereits einen mehr als umfassend zu nennenden Umfang erreicht haben. Aufgrund der besonderen Verhältnisse dieser Familien, die sich zum einen durch elterliches Desinteresse an der Schulbildung ihrer Kinder und zum anderen durch die absolute Missachtung der diese Gesellschaft regelnden Gesetze und Normen auszeichnet, ist es nahezu unmöglich, so die Autorin, auf Fehlentwicklungen korrigierend eingreifen zu können. Aus diesem Grund verwundert es nicht, wenn die Beteiligung Jugendlicher aus dem türkisch-arabisch-libanesischen Milieu an Straftaten weitaus höher ist, als die der Einheimischen.

Es geht der Autorin jedoch nicht um die Diffamierung einzelner Bevölkerungsgruppen, sie beschreibt ebenso politisch motivierte Gewalt von Rechts und Links, sondern um die Mechanismen, die zu kriminellen Lebensläufen führen.

Ein großer Teil des Buches ist jedoch der täglichen Routine der Strafverfolgungsbehörden gewidmet, den anfallenden Problemen und den rechtlichen Grenzen, die dafür sorgen, dass im Volk immer öfter die Rede von wirkungslosen Strafen ist. Zu Recht kritisiert Heisig die große zeitliche Distanz zwischen Tat und Prozess und die mangelnde Kommunikation zwischen Polizei, Justiz und Betreuern. Dies ist durch das von ihr maßgeblich initiierte "Berliner Modell" inzwischen verändert worden.

Kirsten Heisig schildert eine Realität, die von den politisch Verantwortlichen anscheinend noch nicht zur Kenntnis genommen wurde. Das Buch, sachlich korrekt und unaufgeregt geschrieben, hinterlässt auch beim Leser ein großes Gefühl der Ratlosigkeit.




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