Buchkritik -- Johannes Groschupf -- Hinterhofhelden

Umschlagfoto  -- Johannes Groschupf  --  Hinterhofhelden Berlin-Neukölln in den 80er Jahren, das war eine Mischung aus selbstzufriedener Bürgerlichkeit, Eckkneipenalkoholismus, gescheiterten Träumen und billigem Wohnraum. In diesem Umfeld siedelt Johannes Groschupf seinen Roman Hinterhofhelden an. Der westdeutsche Student Hans Odefey mietet sich im Herzen dieses Bezirks eine Wohnung und gerät in das pralle Leben dieses Stadtteils. Schnell merkt er, daß hier ein anderer Wind weht, als in seiner norddeutschen Heimat. Doch er erliegt dem herben Neuköllner Charme, lässt sein Studium sausen und macht sich, ausgerüstet mit einer gebrauchten Kamera auf, um diesen Bezirk zu erkunden.

Die Leser dieses Romans werden wie mit einer rückwärts gewandten Zeitmaschine in einen Bezirk, den es so nicht mehr gibt, gebracht. Wer, wie der Verfasser dieser Rezension, in den damaligen West-Berliner Bezirken Kreuzberg und Neukölln aufgewachsen ist, der reibt sich die Augen und sagt: "Genauso war es damals". Groschupf beschreibt akkurat die chaotische Dichte dieses speziellen Stadtteils. Die Figuren kommen dermaßen realistisch und lebensecht daher, daß man sie in der eigenen Erinnerung wieder vor den Augen hat. Die unglücklich verheirate Frau, die nichts gegen etwas aussereheliche Zuwendung am Vormittag hat, die betrunkene Discotänzerin, in deren Wohnung stets ein kleiner, unterernährter Junge wartet, der Besitzer eines Trödelladens, in dessen Hinterzimmern so manches, nicht ganz legale Geschäft abgewickelt wurde.

Bei der Lektüre feiert nicht nur ein ganzer Berliner Bezirk seine Wiederauferstehung, sondern auch das damalige Lebensgefühl mit seinen kleinen und großen Krisen. Der Klatsch in den damals noch vorhandenen Geschäften der Kleinhändler, Bäcker und Lebensmittelläden, ebenso wie die periodisch wiederkehrenden Alkoholexzesse vieler Stadtteilbewohner.

Der Autor hat viel Sympathie für seine Figuren. Er richtet nicht, sondern erzählt schnörkellos ihre Geschichten. Mitleid wird nicht gespendet und auch nicht erwartet. Man kann förmlich das Klappern der runden Metallmülltonnen hören, wenn Hauswart Pilarski auf seinem Hinterhof für Ordnung sorgt. An keiner Stelle des Romans begegnet man Übertreibung oder vordergründiger Effekthascherei. Berlin-Neukölln war so und nicht anders und ist mit dem aktuellen Zustand dieses Bezirks nicht mehr zu vergleichen. Dazwischen liegen nicht nur 30 Jahre, sondern Lichtjahre. Der manchmal auch brutal daherkommende Charme dieses Stadtteils ist realer Brutalität gewichen.

Hinterhofhelden ist eine Reminiszenz an eine untergegangene Welt.




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