Buchkritik -- Jürgen Kaizik -- Die gerühmte Frau

Umschlagfoto, Buchkritik, Jürgen Kaizik, Die gerühmte Frau, InKulturA Eine Geschichte, die dort beginnt, wo sie eigentlich endet. Zwei Menschen, die an zu viel und gleichzeitig auch zu wenig Nähe scheitern, Zwei Künstler, kreative Menschen. Sie, Magda Lena, eine Schriftstellerin, deren literarisches Debüt für Aufsehen sorgt und hohe Erwartungen bezüglich weiterer Werke weckt. Er, Josef, ein erfolgreicher Regisseur, kurz vor einem neuen Projekt, dass ihn für eine Weile in die USA führen wird, um einen Dokumentarfilm über die dortigen großen Museen zu drehen.

Als sich die beiden begegnen, beginnt eine, nein, keine Liebesgeschichte, sondern ein von beiden Seiten forciertes Missverständnis, das, als sich Magda Lena und Josef darüber klar werden, dramatisch endet.

Wir lernen die Protagonistin als eher scheu und unscheinbar kennen, doch schnell wird klar, dass hinter dieser Attitüde eine Künstlerin, eine Wortkünstlerin steckt, die in ihren Werken die Welt nicht nur beschreiben will, sondern, mit den beschränkten Mitteln der Sprache, vielmehr bis zu deren Kern vordringen will. Was zuerst spröde wirkt, ist das verzweifelte Ringen um die Erweiterung der Grenzen, die jeder Sprache innewohnen. Erst spät erfahren die Leserinnen und Leser die Gründe für ihren inneren Kampf um die Worte.

Josef dagegen ist, und wir übertreiben gewiss nicht, ein künstlerischer Bonvivant, dem es, seinem Medium geschuldet, um starke Bilder, Szenen und Einstellungen geht und der auch im Privaten neuen Erfahrungen nicht abgeneigt ist.

Sie fühlen sich zueinander hingezogen und bemerken nicht, dass das Bild, dass sich beide vom Gegenüber machen, eher dem Wunsch als der Wirklichkeit entspricht. Magda Lena glaubt in Josef endlich den Mann gefunden zu haben, dem sie sich künstlerisch und menschlich öffnen kann, endlich, wie in ihrem von der Literaturszene lang erwartetem neuen Roman, die Wahrheit, ihre Wahrheit erzählen kann.

Josef ist sich zuerst, und so wird es auch bleiben, nicht sicher, wie er Magda einordnen soll. Er spürt so etwas wie Verliebtheit, was nicht zuletzt an ihrer für ihn spröden Haltung liegt, hinter der er eine empfindsame und verletzliche Frau, aber auch eine psychisch labile Person vorfindet, die zu verstehen er sich bemüht. Daraus entwickelt sich eine fatale Beziehungsdynamik, bei der der weibliche Part den männlichen fordert, aber damit auch überfordert, denn Josef ist sich nie sicher, ob er den hohen künstlerischen und emotionalen Anforderungen Magda Lenas entsprechen kann oder ob er es überhaupt will.

So führt ausgerechnet die Zeit, die Josef in den USA verbringt, um sein neues Projekt fertigzustellen und nach dessen Abschluss gleichzeitig die Verlobung der beiden stattfinden soll, zu einer tragischen Wendung.

Im Gepäck findet er den Entwurf zu Magda Lenas neuem Roman, in dem sie, wie er bestürzt, ja fast angewidert lesen muss, beschreibt, welches Trauma sie in der Kindheit erfahren hat und wie dieses ihr Leben und ihr literarisches Werk beeinflusst, ja bestimmt hat. Wie auch ihr Verleger verweigert sich Josef der von Magda Lena so sehnlich gewünschten Kommunikation und sie erfährt stattdessen Ablehnung und schlussendlich die Trennung.

„Die gerühmte Frau“ geht tiefer als eine Nicht-Liebesgeschichte. Es ist die Geschichte einer Frau, die als Kind Schreckliches erleben, erleiden musste, allein gelassen blieb und in der Literatur, im eigenen Schreiben scheinbar Linderung fand. Die Hoffnung auf ein Gegenüber, eine Person die verstehen würde, warum Magda Lena die Person wurde, die sie ist – wir erfahren anlässlich einer Beerdigung etwas mehr von ihrer Vergangenheit – zerplatzt wie eine Seifenblase, denn Josef ist, nicht zuletzt nach der Lektüre ihres Manuskripts, unfähig den darin enthaltenen Befreiungsversuch dieser Frau zu sehen.




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Veröffentlicht am 22. Mai 2023