Buchkritik -- Patrick Kavanagh -- Ankerlicht

Umschlagfoto  -- Patrick Kavanagh  --  Ankerlicht In einer Zeit in der sich die meisten Menschen der westlichen Industrieländer als Weltbürger bezeichnen, in der es selbstverständlich scheint, das die weltweite Vernetzung der Informationen das alltägliche ist, in der sämtliche Konsumgüter jederzeit und überall zu haben sind, mutet ein Roman wie ihn Patrick Kavanagh mit "Ankerlicht " vorlegt nahezu anachronistisch an.

Er beschreibt einen Tag, den 24. Juni 1948, den "Johannistag" einer kleinen irischen Fischergemeinde. Es ist der Tag der Sommersonnenwende und der Tag Johannes des Täufers. An diesem besonderen Datum kommen lang gehegte Träume, aber auch die Bilanz gelebter Leben an die Oberfläche des Bewußtseins. Die irische Fischergemeinde, die Kavanagh in seinem Buch beschreibt, lebt eng verwoben mit den Mythen der Vergangenheit, mit Glauben und Aberglauben, aber auch mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Es ist eine kleine, nur wenige Menschen umfassende Siedlung, deren einziger Erwerbszweig die Fischerei darstellt. Fern ab von dem Getriebe der restlichen Welt, abhängig von den Gezeiten des Meeres und dem jährlich immer gleichen Lauf der Natur, haben sich die Menschen ein ursprüngliches Verhältnis zu ihrer Umwelt bewahrt. Trotz allem Aberglauben, gegen den der Dorfpriester vergeblich ankämpft, leben sie mit der Gewißheit darüber, das ihr Leben einen Sinn hat.

Im Gegensatz zum Priester, der sein Leben als vertan betrachtet, sehen die jungen Leute des Dorfes ihr Leben optimistisch. Sie werden auch weiterhin ihr Auskommen durch die Fischerei bestreiten, werden heiraten und Kinder zeugen und gemäß des natürlichen, von der Natur vorgegebenen Jahresverlaufs leben. Jeder verbindet das nächtliche Johannisfeuer mit seinen eigenen Vorstellungen und Träumen. Bis auf den Priester, den einzigen "Intellektuellen" der Gemeinde, bejahen alle ihr Leben und sind bereit damit so fortzufahren, wie es ihnen ihre Eltern und Großeltern vorgelebt haben.

Kavanagh hat einen ruhigen aber eindringlichen Roman geschrieben. Nicht die stetige Veränderung, sondern das Beständige und immer Wiederkehrende eines Lebens in Abhängigkeit von den Launen der Natur, der immer währende Kampf um das Überleben und die Bejahung dessen ist sein Thema. Trotz allen sind die von ihm dargestellten Charaktere alles andere als nur auf äußere Einflüße reagierende Menschen. Alle sind sie, durch ihr bisheriges Leben geprägte Individualisten, denen es im Traum nicht einfallen würde über ihr Schicksal zu klagen. Die Welt außerhalb ihrer Gemeinde mag sich verändern, sie aber leben weiter im Einklang und mit bewußter Bejahung gemäß dem Lauf der Natur.

Der Roman betont Eigenständigkeit und Selbstverantwortung, Regionalität und das Recht auf eine, von dritten unabhängige Zukunft. Der Autor Patrick Kavanagh ist zwar ein geborener Neufundländer, doch mit diesem Roman ist ihm ein wunderbares "Un-Gesamteuropäisches" Werk gelungen. Das Werk ist ebenfalls auf eine beeindruckend ruhige Weise ein "unmodernes" Buch. Nicht die sinnlose Hast und die unreflektierte Eile des modernen Menschen steht hier im Mittelpunkt, sondern die in sich ruhende Existenz von Menschen, die sich der Härte ihres Lebens bewußt sind, die aber genau daraus auch ihrer individuellen Wert beziehen.

Ein "Un-Gesamteuropäischer" und ein "unmoderner" Roman; kann es in diesen "bewegten" Zeiten ein besseres Kompliment für ein Buch geben? Ich denke nicht!




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