Buchkritik -- Edit Kiraly -- Die Donau ist die Form

Umschlagfoto, Buchkritik, Edit Kiraly, Die Donau ist die Form , InKulturA Wissenschaftliche und technische Fortschritte evozieren ebenfalls politische und gesellschaftliche Veränderungen. Die Erfindung der Dampfmaschine und die durch sie initiierte Industrialisierung war einer der Gründe für die Nationenbildung, die im 19. Jahrhundert auf dem europäischen Kontinent einen frühen Höhepunkt fand.

Untrennbar damit verbunden fand eine Veränderung, ja überhaupt erst eine Neudefinition des geopolitischen Raums statt, deren Auswirkungen sich sowohl in politischer, gesellschaftlicher und künstlerischer Hinsicht manifestierten. Die Verwertbarkeit des Raums als Motor wirtschaftlichen Zusammenwachsens und die gleichzeitig stattfindenden imperialen Bestrebungen, die neue Trennung zwischen Natur und Landschaft und ebenso die Entdeckung des Raums als touristisches Sehnsuchtsziel waren die logischen Folgen der sich schnell verändernden Welt des 19. Jahrhunderts.

Stellvertretend dafür steht der Wandel, den das Bild des zweitgrößten und -längsten Flusses in Europa erfuhr. Vom Schwarzwald durch zehn europäische Länder fließend und im Schwarzen Meer mündend, ist die Donau ein Symbol für die Verbundenheit Mittel- und Osteuropas. Sie war seit je eine der bedeutendsten Handelsrouten quer durch den Kontinent und verband dabei unterschiedliche Kulturen, Mentalitäten und Völker.

Das Narrativ des majestätisch dahinströmenden Stroms erfuhr im 19. Jahrhundert einen dramatischen und vielschichtigen Wandel, als die Donau durch politische Interessen und technischen Fortschritt in den Fokus des "Machbaren", in eine Transformation des Bestehenden in neue Diskurse geriet.

In ihrer Monographie "Die Donau ist die Form" geht Edit Király dieser Veränderung durch Politisierung einerseits und Ästhetisierung andererseits nach und zeichnet ein dichtes Bild diskursiven Umbruchs, der die Idee eines einheitlichen Donauraums als nunmehr in Erfüllung gehendes Desiderat darstellt.

Einhergehend mit der (Neu)Entdeckung des Raumes Donau rückte auch die Beziehung zwischen Orient und Okzident wieder ins politisch-historische Bewusstsein. Die Grenze zwischen Fortschritt und Verharren, zwischen Moderne und Vergangenheit löste sich spätestens mit der Regulierung der Donaustrecke am Eisernen Tor sukzessive auf, als es gelang, das größte Hindernis für die Schifffahrt zu beseitigen.

Die Autorin zeigt mit ihrer groß angelegten und faktengesättigten Untersuchung die Interdependenzen, die, politischer, wirtschaftlicher und ästhetischer Natur, aus der Veränderung der Definition des Donauraums entstanden sind und bis heute den mittel- und osteuropäischen Diskurs bestimmen.




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Veröffentlicht am 7. Januar 2018