Buchkritik -- Jürgen W. Möllemann -- Klartext

Umschlagfoto  --  Jürgen W. Möllemann  --   Klartext Jürgen W. Möllemann, am 05.06.2003 unter ungeklärten Umständen beim Fallschirmspringen ums Leben gekommen, war zu seinen Lebzeiten in der Politik ein mehr als umstrittener Mann. Für die einen war er die politisch innovativste Kraft Deutschlands, für die anderen war er ein äußerst gewiefter Selbstdarsteller. Eines ist jedoch unumstritten: Konflikte hat er während seiner politischen Tätigkeit niemals gescheut. Sein politisches Ende kam, als er sich, in der Sache absolut gerechtfertigt, jedoch zu einem falschen Zeitpunkt, auf einen verbalen Schlagabtausch mit Michel Friedmann, dem Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden einließ, - und diesen Konflikt verlieren mußte.

Wenige Monate vor seinem Tod hat Möllemann ein Buch veröffentlicht, in dem er eine Art Bilanz über seine bisherige politische Laufbahn ablegte. Mit der ihm eigenen Klarheit des Ausdrucks legt er seinen Finger auf all die schlimmen Wunden, an denen Deutschland mehr und mehr leidet. Die Verstrickung von Verbands- und Politikinteressen, die mangelnde Nähe der Politik zum Volk, die eklatante Verschwendung von Steuergeldern, die aktuelle Rot-Grüne Regierungsmisere und der Umgang mit Kritikern, die versuchen, bestehende Denkverbote zu kritisieren.

Herausgekommen ist ein Buch, das wohl kein anderer deutscher Politiker hätte schreiben können, ohne das seine Karriere beendet gewesen wäre. Man mag jetzt einwenden, daß die politische Karriere von Jürgen W. Möllemann zu diesem Zeitpunkt bereits beendet gewesen war, doch alle die Dinge, die er in seinem Buch Klartext anspricht, hat er bereits zu seinen Lebzeiten vertreten.

Es ist kein Buch, in dem er seinen politischen Sturz beklagt und nun unbedingt schmutzige Wäsche waschen möchte, sondern nüchtern, aber mit der ihm eigenen Diktion zeigt er auf, wie es dazu gekommen ist. Dabei gibt er Einblicke in die Funktionsweise von Politik und Politikern. Sie ist genauso, wie es sich Realisten immer gedacht haben: intrigant, an Personen, nicht an der Sache fixiert, Machtbesessen und Realitätsfern. Möllemann zeigt deutlich, daß auch, oder gerade Politiker im Prinzip die negativen Aspekte ihrer Psyche kultivieren müßen, um politisch zu überleben.

Es ist aber auch ein Buch, in dem der Zustand des politischen Systems und der politischen Kultur in unserem Land beklagt wird. An der Sache vorbei, wird ausschließlich an dem eigenen Machterhalt gearbeitet. Die anstehenden Probleme, welche Deutschland in der Zukunft lösen muß, werden aus wahltaktischen Gründen verdrängt. Möllemann plädiert eindringlich für mehr bürgerliche Freiheit und gegen die praktizierte Vollkaskomentalität des Staates, die von den Bürgern nicht als Würgegriff wahrgenommen wird, weil sie vom politischen System verbal schöngeredet wird.

Er zeigt, daß mehr bürgerliche Freiheit auch weniger politische Willkür und Verschwendung von Steuergeldern bedeutet. Demokratie von unten ist seine zentrale Aussage. Gemeinden und Städte müßen heraus aus der Abhängigkeit des Bundes. Die Menschen vor Ort wissen besser, was gut für ihre unmittelbare Umgebung ist, nicht die Regierung in Berlin. Leider geht Jürgen W. Möllemann in seinem Buch an keiner Stelle auf Migrationsprobleme ein und auch er bietet keine griffige Antwort des Problems der Massenarbeitslosigkeit. Seine Aussagen über den Zustand der Republik jedoch sind treffend und pointiert. Seine Vorschläge zur Lösung von Problemen sind gut, aber politisch zur Zeit nicht durchzusetzen.

Alles in allem hat er ein in jeder Hinsicht mutiges Buch veröffentlicht, das sich bestens lesen läßt. Er schreibt mit Witz und Verstand. Jürgen W. Möllemann weiß, wovon er spricht: er besitzt im Gegensatz zu anderen Politikern eine eigene Meinung, die er auch stets vertreten hat. Es wäre schön, wenn es mehr Politiker seines Kalibers geben würde.




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