Es war an einem regnerischen Sonntagnachmittag, als ich in meiner gut sortierten Bibliothek stöberte, um zu sehen, welches Buch ich noch einmal lesen könnte. Sie werden sich vielleicht fragen, aus welchem Grund man ein Buch mehrmals lesen sollte? Die Frage ist einfach zu beantworten. Erstens haben wohl die wenigsten Menschen die Fähigkeit ein Buch gleich bei der ersten Lektüre richtig einordnen zu können, von Verstehen ganz zu schweigen. Damit möchte ich zum Ausdruck bringen, das es der Leser dem Autoren schuldig ist, sich mit einem Buch mehr als einmal auseinanderzusetzen. Der Autor brauchte Monate um seine Gedanken in die richtige Form zu bringen, noch länger, um sein Buch zu veröffentlichen. Wie kann dann der Leser sagen, daß er nur ein paar Tage braucht, um alles nachvollziehen zu können?

Der wesentliche Grund ist jedoch der zeitliche Abstand, der zwischen den einzelnen Lektüren liegt. Das Wesen und der Inhalt des Buches bleiben zwar gewissermaßen statisch, doch die Person des Lesers ändert sich. Lebensumstände, politische Meinungen und nicht zuletzt das Alter selber schleifen die jeweiligen Vorstellungen und Ansichten ab, verändern sie. Was vom Fluß des Heraklit gilt, das hat auch für das Lesen von Büchern Gültigkeit. Man liest niemals das gleiche Buch.

An diesem besagten Sontag also fiel mein Blick auf das Buch "Der Wiener Kongress" von Klaus Günzel. (An dieser Stelle der Hinweis auf ein weiteres in dieser Seite besprochenes Buch dieses Autors:Romantikerschicksale.

Klaus Günzel untersucht in seinem Werk über den Wiener Kongress wieder einmal kenntnisreich eine Periode der Geschichte. Doch soll hier nicht über das Buch direkt, sondern vielmehr über die Gedanken, die mich beim erneuten Lesen dieses Werkes überkamen gesprochen, bzw. geschrieben werden.

Der Wiener Kongress, die größte bis dahin stattgefundeneVersammlung von Regierungsoberhäuptern, sollte nach dem Ende der Napoleonischen Kriege eine Neuordnung in Europa erreichen. Prunk, Luxus und das "gepflegte" Gespräch im Hinterzimmer war genauso vorhanden wie harte Verhandlungstaktiken von Zar Alexander I. und diplomatisches parlieren von Talleyrand und Metternich.

Es war eine verschwindend kleine Minderheit von Staatsmännern, die über die Geschicke der europäischen Völker entschied. Die Völker selber, bzw, die Menschen wurden gar nicht erst gefragt. Nun möge man einwenden, das es im frühen 19. Jahrhundert noch nicht üblich war das Volk zu befragen und Wahlen zudem noch unbekannt waren. Das ist richtig und soll an dieser Stelle auch nicht mit unserem heutigen Demokratieverständnis kommentiert werden. Hier interessiert die Frage, ob sich in unserer, ach so modernen, Zeit grundlegendes geändert hat?

Die heutzutage stattfindenden Kongresse wie zum Beispiel der G7- Gipfel, die Kongresse des IWF und die pompösen Treffen der Regierungschefs der verschiedenen Nationen haben eins mit dem "Vater" der Kongresse gemeinsam: sie sind teuer, kosten also den Steuerzahler Millionen von DM, Dollar oder Yen und bringen kaum Ergebnisse.

In den vielbeschworenen und laut gepriesenen Zeiten der globalen Vernetzung, in Zeiten von Videokonferenzen via Internet sind diese Mammutveranstaltungen ein reiner Anachronismus. Die ausgegebenen Dollarmillionen jedes einzelnen Kongresses wären besser in verschieden Hilfsprojekten der dritten und vierten Welt angelegt.

Wie schon beim Wiener Kongress geht es fast ausschließlich um Selbstdarstellung der beteiligten Personen und nicht primär um die Lösung von Problemen. Probleme wurden noch niemals im großen Kreis gelöst, sondern immer nur direkt vor Ort.

Diese Kongresse werden begleitet von einem medialen Troß, der dafür sorgt, das sich die Teilnehmer so präsentieren können, wie sie es gewohnt sind: als große Staatsmänner, die keine Mühen scheuen, um die Welt zu verbessern. Die daheimgebliebenen Steuerzahler sind zufrieden und können beruhigt schlafen gehen, denn ihre Interessen werden aufs Beste von ihren gewählten Vertretern gewahrt.

Doch ist es wirklich so, oder sind ganz andere Motive im Spiel? Nehmen wir zum Beispiel den internationalen Währungsfonds IWF. Vordergründig gibt er sich aus als ein Werkzeug mit Hilfe dessen es gelingen soll in den sogenannten armen Ländern eine funktionierende Wirtschaft zu etablieren. Diese neu aufzubauende Wirtschaft entpuppt sich sehr schnell als ein Klon des amerikanischen Kapitalismus. Nationale und regionale Eigenheiten und Verschiedenheiten werden von IWF nivelliert. Bedingungen und Verpflichtungen werden ebenso diktiert wie die Schaffung neuer politischer Verhältnisse. Denn Geld gibt es nur bei Wohlverhalten. Das gerade dieses Geld dann aber in den dubiosen Kanälen des Nehmerlandes verschwindet, erfährt die Öffentlichkeit nicht.

Weltwirtschaftsgipfel, Klimaschutzkonferenzen, etc. treffen sich, wenn überhaupt, immer nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Dieser besteht ausschließlich in Absichtserklärungen. Wenn der Zustand der Welt wirklich von solchen Mammutkonferenzen abhängen würde, dann wäre es um die Zukunft dieses Planeten schlimm bestellt.

Die einzigen wirklichen Gewinner solcher Veranstaltungen sind Hoteliers und Prostituierte. Daran hat sich auch fast zweihundert Jahre nach dem Wiener Kongreß nichts geändert.