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Nein, es läuft wirklich nicht gut für unseren tragischen Helden, der uns seine Geschichte erzählt. Die Freundin ist ihm abhanden gekommen und das von ihr in seiner Wohnung gelassene Terrarium – mit Bewohnerin, eine Schlange, ungiftig – harrt auf den Abtransport, der nie erfolgen wird.
Da sich nach dieser Katastrophe gleich die nächste ankündigt, verliert der gute Mann auch noch seinen Job als Werbetexter, weil sein bislang von ihm mit kurzen, knusprigen und knackigen Werbesprüchen – Frühstücksmüsli – versorgter Kunde die Agentur wechselt und sein Arbeitgeber ihn sowieso auf dem Kieker hatte.
Frau weg, Job weg, das Leben kann hart sein. Härter, auf eine andere Weise, sind Bill und Bella, eigentlich Wilhelm und Belinda. Gutmenschen vor dem Herren, also nervig bis unerträglich. Doch wie es das Schicksal, diese Bitch, so will, muss der nunmehr arbeitslose Texter bestürzt zur Kenntnis nehmen, dass seine Ex-Freundin zwar ihr ungewöhnliches Haustier bei ihm zurückgelassen, dafür jedoch die Kreditkarte mitsamt PIN mitgenommen hat.
Da kommt es also gut zupasse, dass die beiden Weltverbesserer einen noch größeren, engagierteren und vor allen Dingen reicheren Gesellschaftsingenieur kennen, der sich für sein großes Familienvermögen schämt und Abbitte leisten will. Diese tätige Reue soll mithilfe aus, so ist es geplant, Lebens- und Leidensbeschreibungen derjenigen bestehen, denen der Klimawandel – zu heiß, zu trocken, zu nass, abgesoffen, etc. – einen Strich durch die Lebensplanung gemacht hat.
Anstelle von kurzen Werbeslogans soll unser Held jetzt also richtige und vor allem umfangreiche Texte in Buchform zwingen, deren Vorlage besagte indigene Katastrophenschilderungen bilden. Als erfahrener Wortakrobat merkt er jedoch schnell, dass die Konzeption des sich seines Erbe schämenden Mannes eine unrealistische ist, denn mit „Eine Ziege tot, die zweite Ziege tot und die dritte ebenfalls tot“ könnte auch der begabteste Autor kein Buch füllen.
Was tun, dachte sich der Erzähler und erinnerte sich an den Fall Relotius, dessen Stories in einem wöchentlich erscheinende ehemaligen Nachrichtenmagazin erst für Begeisterung, dann jedoch wegen erwiesenem Fake-Journalismus für „Igittigitt“ gesorgt haben.
Was der konnte, kann ich auch, denkt sich unser Mann und macht sich mithilfe einer KI – er wird ihr später freundschaftlich einen Namen geben – daran, die Geschichte eines Flüchtlingsmädchens aus Afghanistan zu kreieren. Und so schlägt die Geburtsstunde von Schabnam, die später – wenn alles getan ist – ein verzückt-bestürztes Lesepublikum zu Tränen rühren wird.
Charles Lewinsky hat einen humorvoll-bösartigen Roman über einen Zeitgeist geschrieben, der sich seiner selbst schämt und belogen werden will, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Für diesen Ablass ist unser Held genau der richtige, denn mithilfe seiner neuen Freundin bedient er diese Klientel.
Mehr als einmal musste der Rezensent herzlich lachen, denn der Autor lässt kaum eines der zahlreichen Klischees der Gutmenschenszene aus.
Doch am Horizont tauchen Probleme auf. Die Ex-Freundin steht wieder auf der Matte und will Abbitte leisten für ihren Diebstahl und der Verlag drängt auf ein Interview mit Schabnam, geführt durch „Sankt Denis, Schutzpatron der Literatur“.(Das schreibt der Autor!)
Genug Raum also für Panik, Aufregung und die guten Ratschläge der KI. Bis eine für alle, mit einer Ausnahme, befriedigende Lösung für diese Herausforderung gefunden ist, haben die Leserinnen und Leser jede Menge Spaß an diesem launig geschriebenen Roman.
Absolute Leseempfehlung!
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 1. November 2024