Buchkritik -- Johannes Nestroy -- Über dem Meer

Umschlagfoto, Buchkritik, Johannes Nestroy, Über dem Meer, Antoine de Saint-Exupéry InKulturA Als Antoine de Saint-Exupéry am 31. Juli 1944 zu seiner offiziell letzten Aufklärungsmission startete, sollte er von diesem Flug nicht mehr zurückkehren. Um sein spurloses Verschwinden bildeten sich schnell Gerüchte, die von technischen Problemen bis zum Selbstmord reichten. Erst im Herbst 2003 wurden Teile der Maschine gefunden und ein Jahr später durch die im Turbolader einer der beiden Motoren eingravierte Nummer endgültig identifiziert. Die Crux dabei: der Fundort lag westlich, weitab der geplanten Flugroute. Diese Tatsache befeuerte erneut die sich um den Tod Saint-Exupérys rankenden Legenden.

Ein bislang unbekannter Briefwechsel des Piloten und Autors mit seiner langjährigen Freundin und Vertrauten Hélène de Vogüé ist die Grundlage für Johannes Nestroys literarische Spekulation über Exupérys letzten Flug. Dieser war, so der Autor, entgegen seines militärischen Auftrags eine private Rettungsmission für zwei ihm nahestehende Personen, denen durch ihre Aktivitäten im französischen Widerstand gegen die deutschen Besatzungstruppen der Tod drohte.

„Über dem Meer“ ist eine fiktive Biographie des Fliegers, Autors und, nimmt man nicht nur dessen bekanntestes Werk „Der kleine Prinz“ zur Kenntnis, sondern auch dessen existentielle Reflexionen in „Die Stadt in der Wüste“, Philosophen. Traumsequenzen der frühesten Kindheit, Exupérys Leidenschaft für das Fliegen, aber auch dessen zunehmende Desillusionierung angesichts fragwürdiger Entscheidungen seiner Vorgesetzten verarbeitet Nestroy zu einer Hommage für einen außergewöhnlichen Menschen, dessen Leben zwischen den Polen individueller Einsamkeit und fliegerischer Kameradschaft pendelt, die wohl nur derjenige richtig verstehen kann, dessen Leben sich ebenfalls zwischen diesen Antagonismen abspielt.

Johannes Nestroy setzt mit seiner Version von Exupérys letztem Flug diesem ein stilles Denkmal, das dem aktuellen Zeitgeist, die den gelebten Werten des Fliegers, Pflichterfüllung, Idealismus und Freundschaft unter Männern die, egal welcher Herkunft, vereint durch die Fliegerei als Gleichrangige gelten, geradezu entgegengesetzt ist und damit wohl leider auf wenig Verständnis trifft.

„Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Dieser Satz aus dem „kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry sollte jeder, der sich intensiv mit diesem Autor beschäftigt, als Schlüssel zum Verständnis seines Lebens und, untrennbar damit verbunden, seines literarischen Werks verstehen. Johannes Nestroy ist das auf eindrucksvolle Weise gelungen.




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Veröffentlicht am 11.November 2018