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Buchkritik -- Michael Finkel -- Der Meisterdieb

Umschlagfoto, Buchkritik,Michael Finkel, Der Meisterdieb, InKulturA Stéphane Breitwieser ist einer der berüchtigtsten Kunstdiebe der modernen Geschichte. Geboren 1971 in Frankreich, erlangte er weltweite Bekanntheit durch eine beispiellose Serie von Kunstdiebstählen, die er zwischen 1995 und 2001 beging. Im Laufe dieser Jahre stahl er über 200 Kunstwerke und Antiquitäten aus Museen, Galerien und Auktionshäusern in verschiedenen europäischen Ländern, darunter Frankreich, Deutschland, die Schweiz, Österreich und die Niederlande.

Michael Finkel hat diesem Mann und seiner Komplizin eine True-Crime-Story gewidmet, welche die anfangs außergewöhnliche, zum Schluss jedoch tragische Geschichte eines zutiefst gestörten Menschen erzählt.

Breitwieser operierte oft mit bemerkenswerter Dreistigkeit und Präzision. In vielen Fällen betrat er tagsüber nicht besonders geschützte Museen als gewöhnlicher Besucher, wählte sorgfältig seine Ziele aus und stahl die Kunstwerke ohne Anwendung von Gewalt. Seine bevorzugte Methode bestand darin, die oft unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen der Museen zu umgehen, indem er unauffällig Glasvitrinen öffnete oder Gemälde von den Wänden nahm. Breitwieser trug keine Waffen und vermied Konfrontationen, was seine Diebstähle nur vordergründig elegant aussehen ließ.

Eine zentrale Rolle in seinen Diebstählen spielte seine Freundin, Anne-Catherine Kleinklaus. Sie unterstützte ihn oft, indem sie „Schmiere“ stand und sicherstellte, dass niemand Breitwieser bei seinen Taten störte. Ihre Zusammenarbeit ermöglichte es Breitwieser, die gestohlenen Werke relativ problemlos zu transportieren und zu verstecken.

Die gestohlenen Kunstwerke hortete Breitwieser im Haus seiner Mutter in Mulhouse, Frankreich, wo er die obere Etage bewohnte. Die Sammlung, wenn man sie denn so nennen will, umfasste eine Vielzahl wertvoller und historisch bedeutender Objekte, darunter Gemälde, Skulpturen, Schmuck und andere Antiquitäten, deren angenommener Wert 1 Milliarde Euro betrug. Einige der gestohlenen Werke waren Jahrhunderte alt und hatten einen unschätzbaren kulturellen und historischen Wert.

Im Jahr 2001 wurde Breitwieser in der Schweiz verhaftet, nachdem er in einem Museum in Luzern einen weiteren Diebstahl versucht hatte. Die Schweizer Behörden nahmen ihn fest, und später wurde er an Frankreich ausgeliefert. Nach seiner Festnahme unternahm seine Mutter den drastischen Schritt, viele der gestohlenen Kunstwerke zu zerstören, indem sie sie in einem Kanal versenkte, in Stücke schnitt oder verbrannte. Sie tat dies in der Hoffnung, die Beweise zu vernichten und ihren Sohn vor härteren Strafen zu schützen. Diese Zerstörung führte zu einem unwiederbringlichen Verlust von Kulturgut.

Breitwieser wurde in Frankreich zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Diebstähle haben eine Debatte über die Sicherheit und Verwahrung von Kunstwerken in Museen ausgelöst und darauf aufmerksam gemacht, wie verletzlich solche Institutionen gegenüber gut organisierten und entschlossenen Dieben sein können.

Breitwieser behauptete, dass seine Motivation für die Diebstähle nicht finanzieller Natur war. Er sagte oft, dass er die Kunstwerke wegen ihrer Schönheit und seines eigenen ästhetischen Vergnügens stahl. Diese ungewöhnliche Motivation unterscheidet ihn von vielen anderen Kunstdieben, die hauptsächlich aus finanziellen Gründen handeln. Doch Finkel weist auch darauf hin, dass die psychologischen Untersuchungen Breitwiesers dessen Attitüde eines Kunstliebhabers als Schutzbehauptung eines notorischen Kriminellen bezeichneten.

Warum also hat Breitwieser die Diebstähle begangen? Es ist richtig, dass er im Gegensatz zu den meisten Kunstdieben keine Versuche unternahm, die Kunstwerke zu verkaufen, sondern sie für sich selbst behielt. Es ist auch richtig, dass er beim Stehlen wenig Schaden anrichtete, abgesehen von den Werken selbst. Einige wurden von Breitwieser aus dem Fenster geworfen, andere wurden später von Breitwiesers Mutter zerstört, die ebenfalls eine Gefängnisstrafe erhielt. Manche wurden nie wiedergefunden.

Weil Breitwieser nicht wie die meisten anderen Kunstdiebe ist, stellt er einen interessanten Fall dar. Im Laufe der Jahre wurden Analytiker hinzugezogen, um sowohl ihn als auch Anne-Catherine psychologisch zu untersuchen. (Der Autor versäumt zu erwähnen, dass sie schließlich eine sechsmonatige Gefängnisstrafe wegen Hehlerei erhielt, sondern schreibt stattdessen, dass sie „genau eine Nacht im Gefängnis“ verbrachte und dass die Verurteilung gelöscht wurde, „als ob in den zehn Jahren, die sie mit Breitwieser zusammen war, nichts passiert wäre.“) Breitwieser wurde von einem Psychologen als „impulsiv“ eingestuft; Anne-Catherine fehlte „die Kraft, nein zu sagen“, so ein anderer. Doch Breitwieser, so noch ein Psychotherapeut, kann man nicht wirklich helfen, denn „es gibt keine kriminelle Psychose, die man behandeln oder heilen könnte.“

Also die übliche Kaffeesatzleserei dieses Gewerbes.

Breitwieser selber unternahm einige Versuche, sich für die Sünden zu rechtfertigen, die er Museen in Frankreich, Deutschland und der Schweiz angetan hatte. Er entschuldigte sich vor Gericht bei den Kuratoren, und auf den letzten Seiten des Buches, als er nur noch wenig Geld in der Tasche hat, scheint er endlich etwas Reue zu zeigen. „Ich war ein Meister des Universums“, bemerkt Breitwieser gegen Ende des Buches. „Jetzt bin ich nichts.“

Michael Finkel behält seine kritische Distanz zu diesem Kunstdieb, dem sein Hang zum Diebstahl durch fehlende Sicherheitsmaßnahmen erleichtert wurde. Er ist alles andere als ein „Gentleman Gauner“. Er ist ein Kind, das nicht erwachsen werden wollte. Kein Grund, Breitwieser zu heroisieren. Auch in diese Falle geht der Autor nicht.

Gut so.




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Veröffentlicht am 2. Juni 2024