Jeder Lebensbereich des Menschen ist bestimmten Modeerscheinungen unterworfen. Eine Weile gilt eine gewisser Trend X zum allgemeinen, gesellschaftlich anerkannten Muster, danach ein gewisser Trend Y auf die gleiche Weise. Mode, Kunst, soziale Fragen, politische Strömungen, philosophische Ansichten, all das ist im weitesten Sinn ebenfalls Trendabhängig.

Doch nicht nur der Bereich des menschlichen Lebens, der erst durch mehr oder weniger allgemeinverbindliche Regeln, durch gesellschaftliche Übereinkunft konditioniert wird, ist durch ephemere Moden bestimmt, sondern auch die Naturwissenschaften weisen in regelmäßigen Abständen Trenderscheinungen auf. Vorbei ist es dann mit dem wissenschaftsverliebten Stolz auf nachvollziehbare Ergebnisse und überprüfbare Analysen.

An Stelle derer treten dann metaphysische Spekulationen, die einer idealistisch ausgeprägten Philosophie alle Ehre machen würden. War es vor Jahren die Theorie der morphogenetischen Felder des Rupert Sheldrake, (übrigens eine trotz aller Modeerscheinung äußerst interessante These), so ist es in unseren Tagen die Theorie von Susan Blackmore über Meme.

Der Begriff wurde ursprünglich 1976 von Richard Dawkins in seinem Bestseller "Das egoistische Gen" als Arbeitsbegriff für Replikatoren von Information eingeführt. Da Evolution ohne solch eine kopierte Information nicht stattfinden kann, aber trotzdem mit jedem Replikator, sprich Gen, funktioniert, führte er den Begriff der Meme ein. Sie sollten eine Verständnishilfe für die Entwicklung von für das Überleben des Menschen eigentlich unwichtigen Dingen wie z. B. Musik und Kunst sein. Wie gesagt, es sollte ein reiner Arbeitsbegriff sein.

Susan Blackmore stellt diesen Begriff in dem Buch " Die Macht der Meme" in den Mittelpunkt ihrer Theorie der menschlichen Evolution. Meme sind, so Susan Blackmore, biologisch bedingte Replikatoren von Kultur im weitesten Sinn. Jedes Gespräch, Sagen, Mythen, etc. sollen Memkomplexe sein. So weit, so fragwürdig.

Es wird mit Hilfe der Memtheorie versucht, menschliche Kultur zu erklären. Denn seit Beginn des menschlichen Lebens auf unserem Planeten gab es auch immer schon die o. e. kulturellen Leistungen, welche nicht unmittelbar mit dem Überleben des Menschen zusammenhingen.

Die größte Leistung des Menschen soll seine Fähigkeit zur Imitation sein. Ohne Imitation und Verbesserung wäre kein Überleben möglich. Für diese Imitation mit anschließender Vervollkommnung sollen, unabhängig von den Genen, die Meme sorgen. Kultur soll also mit Hilfe von biologischer Terminologie bestimmbar gemacht werden.

Sehen wir uns daraufhin einmal an, was denn alles zu den Memen gehören soll: Sprache, Mythen, Kochrezepte, Lieder, Wissenschaft, rassistische Sprüche, sexistische Witze, Religionen, Rechtsordnungen, etc. Ein großer Katalog menschlicher Kultur und trotzdem schrillen alle Alarmglocken. Genau wie es in der Genforschung inzwischen möglich ist, Krankheiten zu erkennen und auszuschalten, um sich den perfekten Menschen zu konstruieren, so liegt der Verdacht nahe, das anhand der Memtheorie mißliebige gesellschaftliche Erscheinungen kontrolliert und ausgemerzt werden sollen.

Wer die Replikatoren beherrscht, der bestimmt die Kultur. So sieht Gedankenkontrolle im 21. Jahrhundert aus. Eine Gehirn- und Gedankenpolizei taucht am Horizont der Zukunft auf. Politisch mißliebige Ansichten werden mangels Replikatoren zum Aussterben gebracht.

Die Theorie von Susan Blackmore ist ein Versuch, Kultur mit Hilfe von biologischen Beschreibungen zu bestimmen. Dieses muß scheitern, denn Kultur ist mehr als die Summe aller an ihr Beteiligten und deren Gedanken. Kultur und menschliche Evolution sind keine reinen Replikationsmechanismen mit anschließender Veredelung, sondern Kultur besteht aus immerwährender Interaktion zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Lektüre eines griechischen Philosophen, eine Konzert von Mozart, ein Gespräch mit Freuden, all das macht Kultur aus.

Die Memtheorie ist der Versuch menschliche Kultur bestimmbar zu machen und zu manipulieren. Es ist die Angst vor der Unbestimmbarkeit des Menschen, im positiven, wie auch im negativen Sinn. Schon vom Genom-Projekt gehen unverhersagbare Risiken aus, man bewahre uns bitte vor einem Memom-Projekt.